Intransparente Verhandlungen: Schiffe versenken Klimaschutz
Die Klimaziele für die internationale Schifffahrt kamen spät und sind schwach. Nun steht auch ihre Durchsetzung auf der Kippe.
Würden all diese Waren per Flugzeug bewegt, wäre das zwar noch klimaschädlicher – aber auch die Emissionen der Schifffahrt sind bei Weitem nicht mit dem Ziel vereinbar, die Klimakrise zu bremsen, bevor sie katastrophale Ausmaße annimmt.In den Griff bekommen soll das die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), in der die meisten Länder vertreten sind. Eine neue Einigung der 174 Regierungen unter ihrem Dach macht es aber noch unwahrscheinlicher als bislang schon, dass das klappt.
Das Klimaziel der Branche ist schwach
Vor gerade mal zwei Jahren hat die IMO ihr erstes Klimaziel hervorgebracht: Die CO2-Emissionen der internationalen Schifffahrt sollen bis 2050 im Vergleich zu 2008 um die Hälfte sinken und dann weiter auf null. Zudem soll die Effizienz in der Branche steigen – um 40 Prozent bis 2030 und um 50 bis 70 Prozent bis 2050.
Umweltorganisationen kritisierten zwar, dass das nicht konform mit den Zielen des Paris-Abkommens sei, lobten aber dennoch, dass es überhaupt vorangehe.
Dass die IMO ein eigenes Klimaziel braucht, geht nämlich schon auf das Kioto-Protokoll von 1997 zurück, dem Vorläufer des Pariser Weltklimaabkommens. Die IMO kam ihrem Auftrag also erst 21 Jahre später nach. „Der Plan ist bei Weitem nicht perfekt, aber die Richtung ist klar: ein Ausstieg aus den CO2-Emissionen“, urteilte Veronica Frank, politische Beraterin von Greenpeace International.
Jetzt geht es darum, wie der Plan in die Tat umgesetzt wird. Im November will der Umweltausschuss der IMO eine entsprechende Strategie beschließen. Die hat eine Arbeitsgruppe in der vergangenen Woche in einer virtuellen Konferenz vorbereitet. Umweltorganisationen und selbst die Schifffahrtsbranchen einzelner Länder kritisieren: Was dabei herausgekommen ist, reicht nicht, um die Vorgaben durchzusetzen.
Das Klimaziel von 2018 sieht vor, dass Schiffe schon 2023 bestimmte technologische Kriterien erfüllen müssen, um ihren CO2-Ausstoß zu senken.
Einerseits geht es dabei um die Effizienz und andererseits um die sogenannte CO2-Intensität der Schiffe. Das ist die Menge an Kohlendioxid, die der Transport einer Tonne Ladung über eine Seemeile verursacht. Die hängt nicht nur von der Effizienz ab, sondern zum Beispiel auch vom Fahrtempo.
Die Emissionen dürfen weiter steigen
Unternehmen, die ihre CO2-Intensität nicht ausreichend senken, droht laut dem aktuellen Plan keine Sanktion. Erst wenn ein Schiff drei Jahre lang zu schlecht abschneidet, muss ein Plan vorgelegt werden, wie das korrigiert werden kann. Mehr nicht. Die Anzahl der Tonnenmeilen wird zudem nicht eingeschränkt – auch wenn die CO2-Intensität sinkt, kann der Ausstoß des Treibhausgases also insgesamt weiter ansteigen.
Die Internationale Schiffahrtskammer (ICS) ist zufrieden. „Diese Übereinkunft der Regierungen zeigt der Welt, dass die Schifffahrtsindustrie auf dem richtigen Weg ist, um ihre ambitionierten CO2-Ziele zu erreichen und am Ende ein Null-Emissions-Sektor zu werden“, sagte Guy Platten, der als Chef der ICS sozusagen der oberste Lobbyist der Branche ist.
„Die Industrie braucht Sicherheit, und diese Übereinkunft sendet ein deutliches Signal, welche Investitionen wir brauchen, um unsere Emissionen weiter zu reduzieren“, versicherte er.
Das glaubt ihm allerdings nicht einmal die gesamte Branche. „Das ist ein enttäuschendes Ergebnis, und wir müssen einfach anmerken, dass die Mitgliedstaaten der IMO nicht geliefert haben“, sagte Maria Skipper Schwenn von der dänischen Schifffahrtsvereinigung Danske Rederier. Der Beschluss sei vage.
Faig Abbasov, Transport & Environment
„Das ist besorgniserregend für die dänischen Schifffahrtsunternehmen, die eine Regelung fordern, die auch durchsetzbar ist“, so die Lobbyistin. Sie hofft, dass das auf der Sitzung des Umweltausschusses im November noch einmal zur Sprache kommt.
Verhandlungen hinter geschlossenen Türen
Umweltverbände fordern die Regierungen auf, im Umweltausschuss nächsten Monat gegen den Plan zu stimmen. „Wir drängen die Staaten, ihre Unterstützung für den Beschluss im Vorfeld der Sitzung des Umweltausschusses noch einmal zu überdenken und ihn abzulehnen – wenn er nicht fundamental stärker gemacht wird“, sagte John Maggs, Chef der Brüsseler Umweltorganisation Clean Shipping Coalition.
„Die Regierungen haben das Paris-Abkommen mit Füßen getreten, indem sie Maßnahmen zugestimmt haben, mit denen die Emissionen der Schiffe noch für Jahrzehnte steigen werden“, sagte Faig Abbasov, Chef für Schifffahrtspolitik bei der Brüsseler Denkfabrik Transport & Environment.
Er findet nicht, dass man den Klimaschutz im Schiffverkehr weiter der IMO überlassen sollte, wo größtenteils hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. „Die IMO hat der Welt mal wieder bewiesen, dass sie nur zu kosmetischen Veränderungen fähig ist.“
Dass die Staaten den Klimaschutz in der Schifffahrt in die IMO ausgelagert haben, liegt an deren internationaler Ausrichtung. Ähnlich ist es beim zwischenstaatlichen Flugverkehr. Auch dort verhandeln die Staaten nicht im Rahmen der größtenteils öffentlichen Weltklimagipfel über Klimaschutz, sondern unter dem Dach der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation.
Argument: Die Emissionen dieser Branchen könne man nicht so einfach einzelnen Staaten zuordnen. In den Klimazielen, die alle Länder des Paris-Abkommens bei den Vereinten Nationen melden, werden die beiden Verkehrsbereiche deshalb ausgespart.
Dass die Länder einen jeweils unterschiedlichen Anteil an der internationalen Schifffahrt und entsprechend an deren Klimaeffekt haben, ist eindeutig: Rund ein Drittel der weltweiten Schiffsbewegungen starten oder enden zum Beispiel in der Europäischen Union.
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