Offener Brief an Präsident Steinmeier: Bitte keinen Menschenzoo!
Der Bundespräsident ruft zur Solidarität mit Afrika auf. Leider verwendet er dabei die falschen Fotos.
S ehr geehrter Herr Steinmeier, ich habe Ihrer Rede vom 11. Oktober aufmerksam zugehört. Sie haben die Bevölkerung zu Spenden für die Bekämpfung des Welthungers aufgerufen. Ich finde diese Initiative sehr lobenswert. Allerdings haben Sie Ihren Aufruf mit Fotos der Kenianerin Madeline Shimuli illustriert. Ich finde diese Illustration moralisch problematisch. Wie sollte man nicht empört sein, wenn in einem Land, das sich für die Menschenrechte einsetzt wie Deutschland, an Straßenecken und in den Medien immer noch Bilder von Afrikanern mit stumpfen Gesichtern zu sehen sind, ähnlich den Bildern ihrer Vorfahren, die gestern noch in Menschenzoos ausgestellt wurden?
Wir sind alle von den Werten der Solidarität überzeugt, aber dürfen diese um jeden Preis durchgesetzt werden? Rechtfertigt der Zweck die Mittel, insbesondere wenn die Würde einer Person auf dem Spiel steht? Zwar ist Armut ein Mangel, aber Reichtum ist keine Tugend. Wer sich zwischen Würde und Reichtum entscheiden muss, entscheidet sich für die Würde. Deshalb bitte ich Deutschland aufzuhören, die Menschen, denen Sie helfen wollen, zur Schau zu stellen. Dienten und dienen missionarische Ziele und der Kampf für Menschenrechte und Demokratie nicht auch dem Imperialismus von gestern und dem totalitären Kapitalismus von heute als Vorwand? Ich wage zu glauben, dass Deutschland, das der Menschheit so viele Denker geschenkt hat, weit von solchen Haltungen entfernt ist. Das Gegenteil wäre schade, denn das Land hat Besseres zu bieten.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, ich hoffe, dass sich in Deutschland die Gewohnheit ändern wird, Porträts von Afrikanern und anderen Menschen auszustellen unter dem Vorwand, ihnen zu helfen. Denn jeder Mensch hat das Recht, mit Respekt behandelt zu werden. Dieser Brief trägt die Hoffnung in sich, dass eine neue Beziehung zwischen Afrika und Deutschland möglich ist. Unsere Vergangenheit war tragisch, aber Gegenwart und Zukunft sind vielversprechend. Ich wünsche mir, dass jeder von uns den Mut hat, diesen Schritt zu gehen.
Korassi Téwéché ist Doktorand am Philosophischen Seminar der Universität Münster.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher