Klimaschutz in der Agrarpolitik: EU-Staaten bremsen Reform

Um die Treibhausgase zu senken, müssten die EU-Mitgliedsländer die Agrar-Subventionen umverteilen. Doch von mehreren Seiten gibt es Widerstand.

Vier braune Kühe, Vorderansicht, auf einer Weide

Auch ein Emissionsfaktor: Kühe auf der Weide Foto: Boris Roessler/dpa

BERLIN taz | Umweltschützer haben kaum noch Hoffnung, dass die EU-Staaten sich auf mehr Klimaschutz in der neuen Agrarpolitik einigen. „Die Reform der Subventionen droht zur Nullnummer fürs Klima zu werden“, sagte Tobias Reichert von der Organisation Germanwatch der taz. Naturschutzbund-Chef Jörg-Andreas Krüger nennt die Signale aus dem Rat der Agrarminister*Innen „eher ernüchternd“, Referentin Lavinia Roveran vom Deutschen Naturschutzring hält sie für „besorgniserregend“.

Dabei verursacht die Landwirtschaft einer neuen Studie des Öko-Instituts im Auftrag von Germanwatch zufolge 12 Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes in der Europäischen Union. Denn vor allem Wiederkäuer stoßen Methan aus, beim Düngen entsteht Lachgas, trockengelegte Moore geben Kohlendioxid ab.

Diese Emissionen sind viel größer als das, was die Landwirtschaft an Kohlenstoff in Form von Humus im Boden fixiert. Rechnet man den Ausstoß für die Produktion von Pestiziden und Mineraldüngern dazu, sind die Zahlen noch schlechter.

Die EU könnte die Landwirtschaft dazu bringen, klimafreundlicher zu werden, denn sie hat einen sehr langen Hebel in der Hand: Sie zahlt den Bauern jährlich rund 55 Milliarden Euro Agrarsubventionen. Der durchschnittliche Betrieb in Deutschland bekommt daraus rund die Hälfte seiner Einnahmen. Derzeit berät die EU darüber, wie sie die Subventionen von 2023 bis 2028 verteilen will.

Die sich abzeichnende Einigung im Rat würde den Bauern zwar wie bisher einige Regeln zum Schutz des Klimas vorschreiben: Sie sollen zum Beispiel Grünland wie Wiesen erhalten, denn die speichern in ihren Wurzeln viel Kohlenstoff. Wer die Vorschriften missachtet, soll weniger von der wichtigsten Subventionsart bekommen: den Direktzahlungen, die nach der Anzahl der Hektar berechnet werden.

Tierhaltung wird nicht erfasst

Aber die im EU-Sprech „Konditionalität“ genannten Regeln sind so schwach, dass sie der Öko-Institut-Studie zufolge die Treibhausgas-Emissionen kaum senken werden. „Das liegt vor allem daran, dass die größte landwirtschaftliche Emissionsquelle, also die Tierhaltung, von der Konditionalität gar nicht erfasst werden soll“, sagt Margarethe Scheffler, Koautorin.

Das zweite Umweltschutzelement der Reform werden den Beschlussvorlagen zufolge die Eco-Schemes („Öko-Regelungen“). Die Idee: Die Landwirte bekommen mehr Geld aus dem Budget für Direktzahlungen, wenn sie mehr für die Umwelt tun als gesetzlich vorgeschrieben. Wofür genau, bestimmt jeder EU-Staat selbst. Deutschland könnte zum Beispiel Eco-Schemes-Prämien bieten für Bauern, die ihre Rinder auf der Weide halten und so Grünland schützen. Dafür darf der Bauer sogar mehr als nur die Kosten der Maßnahme kassieren – anders als bei den bisherigen Agrarumweltmaßnahmen, die aus dem kleineren Teil des EU-Landwirtschaftsbudgets finanziert werden.

Mit den Eco-Schemes könnten bis zu 19 Prozent der aktuellen Treibhausgase in der Landwirtschaft eingespart werden, rechnet das Öko-Institut vor. Am meisten bringen würde es demnach, weniger Tiere pro Hektar zu halten und den Grundwasserspiegel unter Feldern und Wiesen in Mooren zu erhöhen.

„Aber viele südosteuropäische Mitgliedstaaten wollen nicht einmal Mindeststandards für die Konditionierung und keine Vorschriften für die Eco-Schemes haben“, sagt Nabu-Präsident Krüger. „Da geht es wirklich nur darum, Geld abzugreifen.“ Denn ohne Verpflichtung würden wohl kaum Eco-Schemes angeboten. Zudem könnte es sein, dass der Rat dafür nur ein Minibudget bereitstellen will. Der Nabu dagegen fordert, dass im ersten Jahr mindestens 30 Prozent und später 50 Prozent der Direktzahlungen in die Eco-Schemes fließen.

Nächstes Treffen im Oktober

Bei ihrem nächsten Treffen am 19. und 20. Oktober wollen die Agrarminister ihre gemeinsame Position festlegen, kurze Zeit später soll das Europäische Parlament folgen. Dann müssen sich beide Organe mit der Kommission einigen. „Was das Parlament beschließt, könnte ambitionierter werden“, sagt Naturschutzring-Referentin Roveran.

Aber das ist bisher nur eine Hoffnung, erfahrungsgemäß kann der Rat der Mitgliedstaaten sehr wirkungsvoll bremsen. Alarmierend ist für Umweltschützer, dass der Deutsche Bauernverband mit dem Verlauf der Diskussion bisher sehr zufrieden ist. Denn die größte Organisation der Landwirte hierzulande kämpft stets dagegen, dass die Bauern mehr für die Umwelt oder den Tierschutz leisten müssen, um die Subventionen aus Brüssel zu bekommen.

„Die Chancen für eine aus Sicht der Landwirte sinnvollere Gestaltung der Direktzahlungen sind vielleicht sogar besser als beim letzten Mal in 2013“, jubelte Udo Hemmerling, Vize-Generalsekretär des Verbands, kürzlich in einem Gastbeitrag für die Fachzeitschrift Top Agrar. Die Erwartung, dass die EU-Landwirtschaftspolitik „zu einem riesigen Naturschutzprogramm umgestaltet wird, wird abermals nicht eintreten“.

Der Bauernverband argumentiert, dass die Branche ihre Emissionen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 um 30 Prozent reduzieren wolle. So solle beispielsweise mehr Gülle in Biogasanlagen verwertet werden.

Die Bauernverbände können ihre Ziele in Brüssel so effizient durchsetzen, auch weil sie einen privilegierten Zugang zu den Entscheidern haben. Die Dachorganisation Copa-Cogeca habe vergangenes Jahr 8 von 13 „Gruppen für den zivilen Dialog“ der Kommission geleitet, wie die konzernkritische Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) in einem am Montag erscheinenden Report schreibt.

Von diesen Dialog-Gremien lassen sich die Beamten beraten. Die Gruppen stehen zwar auch Kritikern offen, aber Umweltschützer etwa haben nicht so viele Ressourcen wie die konservativen Bauernverbände. „Das gab ihnen erheblichen Einfluss auf die Tagesordnung dieser Treffen und auch zum Beispiel darauf, welche externen Reder eingeladen werden“, so CEO.

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