Neue Zahlen zu Obdachlosigkeit: Trotz Job kein Mietvertrag

Wohnungslosigkeit trifft mehr Familien und auch Leute in Arbeit. Notunterkünfte müssen wegen des Coronavirus ihre Bettenzahl verkleinern.

Die Habseligkeiten eines Obdachlosen liegen auf der Strasse

Schlafplatz eines Obdachlosen in Berlin Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

BERLIN taz | Jürgen Mark ist vorbereitet. „Wir machen das ja schon seit März, dass wir uns mit der Pandemie beschäftigen“, sagt der langjährige Leiter der Notunterkunft Franklinstraße in Berlin der taz. In der Notunterkunft werden die Obdachlosen ab 18 Uhr immer nur paarweise eingelassen, sie tragen Masken, wenn nicht, bekommen sie eine.

Die Ankommenden waschen sich die Hände, kriegen dann Desinfektionsmittel draufgesprüht. 62 Betten hat die Einrichtung, 11 weniger als vor der Pandemie. Aus den Vierbettzimmern wurden Dreibettzimmer, 20 Stühle weniger stehen im Aufenthaltsraum. Alles nur, um Abstand zu schaffen.

„Aufgrund der Coronaprävention und des Abstandsgebotes muss man damit rechnen, dass es weniger Kapazitäten in den Notunterkünften gibt“, sagt Werena Rosenke, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W). Die BAG W legte am Donnerstag ihren Jahresbericht vor.

In dem Bericht zeigte sich, dass auch zunehmend Familien von Wohnungslosigkeit bedroht sind und ohne eigenen Mietvertrag in beengten Mitwohnverhältnissen oder Unterkünften der Kommunen oder freier Träger leben müssen.

Mehr Kinder, mehr Frauen

Der Bericht bezieht sich auf die Statistik von 2018 und hat sowohl die Daten Wohnungsloser als auch von Wohnungslosigkeit bedrohter Personen erfasst, die in Beratungsstellen und Unterkünften vorstellig werden.

Danach hat sich der Anteil von Alleinerziehenden und ­Paaren mit Kindern an den Klien­tInnen erhöht und lag im Jahre 2018 bei 8,7 Prozent. Auch der Anteil der Frauen an den ­Hilfesuchenden ist stetig gestiegen und beträgt jetzt 27 Prozent. Die Zahl der Hilfe­suchenden ohne ­deutsche ­ ­Staatsbürgerschaft hat auf 30 Pro­zent zugenommen.

Fast die Hälfte der akut Wohnungslosen lebten erst mal bei Bekannten und Familienangehörigen in prekären Wohnverhältnissen, bevor das nicht mehr geht und sie sich an Hilfseinrichtungen wenden. Es sei zu beobachten, dass immer mehr KlientInnen ihren Lebensunterhalt mit einer Erwerbstätigkeit bestreiten und dennoch in einen Wohnungsnotfall geraten, heißt es in dem Bericht. Dies betreffe etwa 10 Prozent der akut Wohnungslosen.

Überschuldung ist ein Problem

61 Prozent der KlientInnen sind überschuldet, während das in der Bevölkerung nur 10 Prozent sind, so der Bericht. Die Überschuldung kann ein Riesenproblem sein bei der Wohnungssuche, falls ein Schufa-Eintrag besteht, so hört man oft in Beratungsstellen. Oft bedeutet dies das Aus, weil viele Vermieter nicht an Leute mit Schufa-Eintrag vermieten.

Die BAG W geht von 650.000 Wohnungslosen in Deutschland aus, wovon aber nur 40.000 Menschen tatsächlich „auf der Straße“ leben, also obdachlos sind. Unter den Wohnungslosen, die in Unterkünften leben, sind 440.000 anerkannte Geflüchtete, die keine reguläre Wohnung finden.

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