Filmtipps für Berlin: Kunstvolle Bildertrips

Im Filmrauschpalast ist Christoph Schlingensiefs „Deutsche Trilogie“ zu sehen, im Zeughauskino ein Doppelprogramm zur „Bildsprache der Besatzer“.

Kreischende Frau wird von einem Mann mit einem Messer attakiert

Parabel der Enthemmung: „Das deutsche Kettensägenmassaker“ Foto: filmgalerie451

Auf die pathosschwanger dilettierten Bildern aus der Nacht der Wiedervereinigung folgt in Christoph Schlingensiefs „Das deutsche Kettensägenmassaker“ ein kunstvoll dilettierter Bildertrip. 3. Oktober 1990: am Rande einer Straße durch ein Industriegebiet liegt eine Frau, deren Unterkörper nurmehr blutiger Brei sind und singt „Die Gedanken sind frei“.

Ein ostdeutsches Ehepaar rast derweil im Trabant gen Helgoland, dann informieren Texteinblendungen, dass von Hunderttausenden, die die DDR verlassen haben, vier Prozent nie angekommen sind. Eine westdeutsche Metzgerfamilie, die in einer heruntergekommenen Hotelküche Ostdeutsche dahinmetzelt, ist in Schlingensiefs schnell entstandener Reaktion auf die Taumelstimmung der Wiedervereinigung eine Parabel der Enthemmung.

Der Filmrauschpalast in Moabit zeigt ab Donnerstag ausgehend von „Das deutsche Kettensägenmassaker“ die gesamte „Deutsche Trilogie“ Schlingensiefs (u.a. 20. 8., 21.30 Uhr, 23. 8. 19 & 21 Uhr, 26. 8., 19 & 21 Uhr). Der Wendefilm ist das Mittelstück dieser Trilogie, die mit „100 Jahre Adolf Hitler. Die letzte Stunde im Führerbunker“ begann und mit „Terror 2000. Intensivstation Deutschland“ endete.

Reaktion auf die Baseballschlägerjahre

Nach dem Wiedersehen mit „100 Jahre Adolf Hitler“ wünscht man sich einmal mehr die geschichtsklitternde Einfühlschmonzette „Der Untergang“ wäre nie gedreht worden, und „Terror 2000“, der vom Gladbecker Geiseldrama ausgeht, erscheint im Rückblick wie eine filmische Reaktion auf die Baseballschlägerjahre rechten Terrors, die auf die Wiedervereinigung folgten.

Da die Kulturbeilage taz Plan in unserer Printausgabe derzeit pausiert, erscheinen Texte nun vermehrt an dieser Stelle. Mehr Empfehlungen vom taz plan: www.taz.de/tazplan.

Ergänzend zur Trilogie zeigt der Filmrauschpalast „Egomania – Insel ohne Hoffnung“, ein beeindruckend dicht inszeniertes Drama um einen Vampir auf einer Ostseeinsel, Bildzitate der Romantik und mitten drin: Udo Kier und Tilda Swinton.

Ganz andere deutsche Zustände werden im Zeughauskino sichtbar: im Rahmen der von Frederik Lang zusammengestellten Retrospektive mit Filmen Hartmut Bitomskys läuft am Sonntag ein Kurzfilmprogramm mit dessen Filmen von Ende der 1960er bis Anfang der 1970er Jahre (23. 8, 18 Uhr). Zu sehen sind drei Arbeiten, die noch während seines Studiums an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) entstanden.

Sichtbar wird darin eine Politisierung – von der Nouvelle-Vague-Epigonie des Erstlings „Das Vöglein“ zur zugespitzten Kritik am Berliner Immobilienmarkt der späten 1960er Jahre – und parallel eine Auseinandersetzung mit formalen Fragen politischen Filmemachens. Abgerundet wird das Programm durch einen halblangen Spielfilm, den Bitomsky gemeinsam mit seinem Kommilitonen Harun Farocki inszenierte: „Einmal wirst auch du mich lieben. Über die Bedeutung von Heftromanen“.

Propaganda der deutschen Besatzer

Ebenfalls im Zeughauskino läuft am Freitag ein Doppelprogramm zur „Bildsprache der Besatzer“ (21. 8., 18 & 20.30 Uhr), gemeint sind die deutschen Besatzer nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941. Der Filmhistoriker Günter Agde präsentiert in diesen zwei Programmen Propagandafilme, mit denen die deutschen Besatzer versuchten, Arbeitskräfte für den Einsatz in Deutschland anzuwerben. In Plakaten und Filmen wurde den frisch besetzten Bevölkerungen der Staaten der Sowjetunion die Arbeit in Deutschland als vielversprechende Option ausgemalt.

Der Film „Wir fahren nach Deutschland“ beispielsweise zeigt die Anwerbung wie einen Ausflug. Die Bilder glücklich aus den Güterwagen winkender Arbeitskräfte auf dem Weg nach Deutschland zu Beginn des Films wirken noch wie eine zynische Travestie der Bilder von Deportationen, im weiteren Verlauf aber überwiegen sonnige Bilder komfortablen Reisens unterlegt mit Geigengefidel.

Die Anwerbung von Arbeitskräften entfiel wenig später als die Besatzer begannen, die Bevölkerung mit Zwang zur Arbeit zu verpflichten. Die Bildsprache der Besatzer verlegte sich – so im zweiten Programm zu sehen – auf die propagandistische Verklärung deutscher Politik. Die beiden Programme wurden zusammengestellt vom Filmhistoriker Günter Agde, der die Programme auch jeweils mit Hintergrundinformationen vorstellen wird. Die beiden Programme laufen im Rahmen der Reihe FilmDokument von CineGraph Babelsberg.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.