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Klimabewegung in BremenAufstand abgeblockt

Die Bremer Politik ist auf Kuschelkurs mit Klimaaktivist*innen. Doch wie viel Verständnis verträgt eine Bewegung, die sich als radikal begreift?

Mit Fahrrädern den Autokonzern blockieren, das war das Ziel von „Aufstand mit Abstand“ vor Mercedes Foto: Selma Hornbacher-Schönleber

Bremen taz | Fast könnte man sich einen Wasserwerfer an das Bremer Mercedeswerk wünschen, so heiß ist es am Nachmittag des 7. August. Rund 20 Aktivist*innen proben hier den „Aufstand mit Abstand“. Es geht, und leider ist das nicht übertrieben, um die Rettung der Welt.

Viel Zeit bleibt nicht, um Aufmerksamkeit auf die Klimakrise zu richten. „Wenn es sein muss“, sagt ein Aktivist, „lasse ich mich auch räumen!“ Quer über die Einfahrt von Tor acht des Mercedeswerks schließen sie ihre Fahrräder aneinander, bis die Straße blockiert ist. Vor der Barrikade stauen sich die ersten Lkw, die sonst im Minutentakt durch das Werkstor fahren. „System Change not Climate Change“ steht mit Kreide auf dem heißen Asphalt.

Vier Szenarien für den Klimawandel hat die IPCC 2005 ausgerechnet. Die Welt steuert zielsicher auf den „Worst Case“ zu, das zeigt ein Bericht vom 3. August. Die Dystopie für Realist*innen: Dürre und Überschwemmung, Flucht und Krieg. Die Klimabewegung fordert heute vor allem eines: Die Einhaltung der Pariser Klimaziele – 1,5 Grad Erwärmung, nicht mehr.

Irgendwie bekennt sich auch die Bremer rot-grün-rote Regierung dazu. Keine Klimaneutralität, aber immerhin 80 Prozent CO2-Einsparungen plant sie bis 2030. Die grüne Umweltsenatorin Maike Schaefer ist zuversichtlich: Bremen mache sich „jetzt wirklich richtig auf den Weg“. Viele Projekte seien angeschoben worden. Nur „die SPD bremst uns da manchmal aus“.

Es gibt gar keine relevanten Akteure, die zu Gewalt aufrufen.

Simon Teune, Protestforscher

Aber weil es jetzt „reale Handlungen“ brauche, habe die Regierung Geld und Mut in die Hand genommen: „Wir haben zusätzlich 30 Millionen Euro verabschiedet.“ Auch vor Änderungen der StVO für Deutschlands erste Fahrradzone schrecke sie nicht zurück. Für die ansässige Wirtschaft stelle Bremens Regierung gerade „große Weichen“, so auch die linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt. Zentral sei es, die Transformation „sozial-ökologisch“ zu halten: Arbeitsplätze und Klimaschutz.

Kuschelige Aussichten also für die Klimagerechtigkeitsbewegung. Zumindest könnte man das denken: „R2G ist desillusionierend“, sagt Anna Faber (Name von der Redaktion geändert) die mit Mundschutz und Sonnenbrille vor Mercedes sitzt. Die Maßnahmen kommen zu spät, zu langsam, zu inkonsequent.

Dass der Autokonzern Mercedes jetzt staatliche Hilfen kassiert, findet Silke Fuchs, Pressesprecherin der Blockade, „völlig absurd“. Es sei ein Beweis dafür, dass man sich auf Parlamente und Regierungen in der Klimakrise „ganz offensichtlich nicht verlassen kann“. Faber, die hinter ihr in der Blockade sitzt, sieht das ähnlich: „Radikalisierung ist die einzig logische Konsequenz.“

Darunter werde in der Bewegungsforschung zweierlei verstanden, erklärt Protestforscher Simon Teune. Die Radikalisierung der Mittel bis hin zur Befürwortung von Gewalt, und die der Inhalte: „Wenn man Klimapolitik konsequent zu Ende denkt“, sagt er, „kann man kaum anders, als radikale Veränderungen zu fordern.“ In Anbetracht des hohen Zeit- und Handlungsdrucks, vor dem die Bewegung stehe, sei die Wahl der Mittel umso erstaunlicher: „Es gibt gar keine relevanten Akteure, die zu Gewalt aufrufen.“

Schul- und Klimastreiks, Blockaden und Störaktionen – die Bewegung setzt auf zivilen Ungehorsam. Ziel ist es, ein bisschen mehr zu nerven, ein bisschen mehr Druck aufzubauen als andere Kundgebungen. Je länger sie sitzen, desto mehr stören sie – das ist die Grundidee der Blockade vor Mercedes.

„Weder Menschen noch Ressourcen“, sagt ein Aktivist, „dürfen für Profite ausgebeutet werden.“ Mit Mundschutz und Handschuhen verteilt er Kaffee und Flyer an die Lkw-Fahrer*innen. Er wolle zeigen, dass sich der Protest nicht gegen sie richtet. Die Fahrer*innen reagieren teils milde genervt, teils verständnisvoll. „Um die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen, muss man eben ein bisschen stören“, sagt eine Lkw-Fahrerin, bevor sie den kleinen Umweg zum nächsten Tor nimmt.

Der Störfaktor bleibt gering

Dem Konzern direkt wirtschaftlich zu schaden, wäre natürlich gut, sagt Fuchs. Sie zuckt die Schultern. „Wir müssen das selbst angehen.“ Trotz knapp 13 Jahren grüner Regierungsbeteiligung hinkt Bremen seinen Klimazielen hinterher. „Und sogar die reichen nicht für 1,5 Grad“, sagt auch Frederike Oberheim von Fridays For Future. Senatorin Schaefer findet, man solle den Blick nach vorne richten, nicht zurück.

Eine Fahrradrallye gesellt sich zur Blockade. Die Straße vor dem Mercedeswerk füllt sich. 250 Personen waren zuvor in langen Ketten die Bremer „Tatorte der Klimakrise“ abgefahren. Wer trotz Hitze durchgehalten hat, wartet jetzt vor dem Mercedeswerk in der Sonne und hört sich die eingespielten Redebeiträge aus dem Lautsprecher an. Die Polizei gewährt eine Spontankundgebung bis 18 Uhr. Schließlich sind alle für den Klimaschutz – und Mercedes hat ja noch andere Tore.

Gefahr der „Alibipolitik“

„Gut und richtig“, findet Schaefer, dass die Aktivist*innen konsequenten Klimaschutz fordern. Die politische Umsetzbarkeit sei eine andere Frage: „Es braucht vielleicht mehr Radikalität“, räumt sie ein, „aber auch einen gesellschaftlichen Konsens dafür“. Sie gehe mit gutem Beispiel voran: Die drei grünen Senator*innen teilen sich einen Dienstwagen. Damit haben sie „bundesweit für etwas Furore“ gesorgt. „Das kann man Symbolpolitik nennen, aber für mich ist das ein wichtiges Signal.“ Senatorin Vogt appelliert für den Systemwandel unter anderem an die Verbraucher*innen: „Die Nachfrage wirkt direkt auf die Produktion.“

Wenn die Themen einer Bewegung auf der politischen Agenda landen, erklärt Protestforscher Teune, droht Alibipolitik: Mit der Strategie Ja sagen und Nein machen gelinge es Regierungen oft, einer Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man verliere leicht ein paar Leute, die zu früh zu viel Vertrauen haben. „Aber gerade da ist der Punkt, an dem eine Bewegung den Druck aufrechterhalten muss.“

„Wenn die Polizei den Protest nur bis 18 Uhr gewährt“, sagt ein Wachmann von Mercedes, „muss danach auch Schluss sein.“ Für Klimaschutz sei er auch, aber man könne doch nicht alles über den Haufen werfen, was die vorherigen Generationen aufgebaut haben. Knapp 20 Aktivist*innen bleiben trotzdem sitzen, als die Kundgebung aufgelöst wird. Erst anderthalb Stunden später schließen sie ihre Fahrräder los und gehen – zumindest fürs Erste. „Immer und immer wieder“, sagt Silke Fuchs, werden sie stören, blockieren, Druck machen. Der Klimawandel wartet nicht.

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2 Kommentare

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  • Ich habe den leisen Verdacht, dass "radikal" oft mit "nicht dialogfähig" gleichgesetzt werden kann. Frei nach dem Motto: wir sind die einzig Wahren!

  • "Es braucht vielleicht mehr Radikalität“, räumt sie ein, „aber auch einen gesellschaftlichen Konsens dafür“.

    RRG wurde nicht dafür gewählt auf 100% Konsens zu warten. Für besseren und billigeren ÖPNV, bessere und mehr Radwege braucht es keinen großartigen Konsens. Dafür wurden alle drei Parteien gewählt.



    Mehr Bäume statt weniger werdende in der Stadt hat bereits den Konsens.

    RRG betreibt eine mutlose Politik.



    RRG ist zu zögerlich.



    Das jetzige hätte Meyer Heder auch hin bekommen.