piwik no script img

das portraitDie Abgeordnete Ryu Ho-jeong trägt Kleid, Südkoreas Männer empören sich

Foto: Yonhap News

Im patriarchalen Südkorea können Frauen eine Debatte über Sexismus lediglich mithilfe ihres Outfits anstoßen: So war es vor einigen Jahren, als die erste Nachrichtensprecherin mit Brille vor die Kameras trat. Nun sorgt ein rot-weiß gepunktetes Kleid für Zorn bei Männern.

Getragen wurde es letzten Dienstag in der Nationalversammlung von Südkoreas jüngster Abgeordneten Ryu Ho-jeong. „Was ich gerade durchmache, passiert anderen Frauen genauso auf ihren Arbeitsplätzen“, sagt die 27-Jährige. Und wie recht sie hat: Viele Frauen in Südkoreas Geschäften müssen Highheels tragen, gefärbte Haare sind in den meisten Büros absolutes Tabu, Tattoos ein Kündigungsgrund.

Im Parlament gilt ebenfalls ein klarer Dresscode: dunkle Anzüge auch für Frauen, die Männer tragen Krawatte. Apropos: Der absolute Großteil der Sitze wird ohnehin von Männern belegt. Nur 19 Prozent beträgt der Frauenanteil – niedrig im OECD-Vergleich, doch für Südkorea ist es der bislang höchste Wert.

Die Politikerin der linksgerichteten Gerechtigkeitspartei hat mit ihrem lässigen Sommerkleid mächtig Hass in den sozialen Medien auf sich gezogen: „Arbeitest du beim Escort-Service?“, schreibt etwa ein Nutzer. Sein Kommentar zählt dabei noch zu den zivilisierteren. Von der Abgeordneten Ko Min-jung der regierenden Demokratie-Partei hingegen gab es Lob: In einem Facebook Post dankte sie Ryu dafür, „den übermäßigen Rigorismus und Autoritarismus in der Nationalversammlung zu zerstören“. Ryu Ho-jeong selbst nahm die Debatte gelassen: „Die Zeit wird kommen, wenn diese Gesellschaft Frauen akzeptiert, die ganz egal an welchem Arbeitsplatz bequeme Kleidung anziehen können.“

Genau jene Gesellschaft hat jedoch noch während der Militärdiktatur in den siebziger Jahren mit einer Sittenpolizei die Rocklängen von Frauen überprüft: Wer zu anzügliche Kleidung trug, wurde auf die Wache geschleppt und dort mit dem Zollstock vermessen. Auch Männer mit langen Haaren bekamen nicht selten eine Zwangsfrisur verpasst. Der amtierende Präsident Moon Jae-in sorgt nun dafür, dass die strengen Konventionen allmählich gelockert werden: Oftmals erscheint er zu offiziellen Anlässen ohne Krawatte, im Sommer auch mal ohne Jackett und kurzärmelig.

Die junge Abgeordnete Ryu Ho-jeong wird übrigens nicht zum ersten Mal sexistisch angefeindet: Die Politikerin hatte zugegeben, im Jahr 2014 beim in Südkorea extrem beliebten Computerspiel „League of Legends“ sogenanntes Account-Boosting betrieben zu haben. Das heißt, sie hat Spielcharaktere eines fremden Accounts gegen Geld in einen höheren Rang gespielt. In Korea ist E-Sport eine Millionenindustrie – und Account-Boosting steht unter Strafe mit bis zu drei Jahren Haft. Konservative Politiker und der wütende Internet-Mob diffamierten Ryu damals als nicht vertrauenswürdig. Der Shitstorm prallte an Ryu ab.

Und dieses Mal? Das rot-weiß gepunktete Kleid von Ryu, Originalpreis 50 Euro, ist im Zuge der Kontroverse bis auf Weiteres ausverkauft. Fabian Kretschmer, Peking

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen