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Armin Laschet bricht Besuch von Moria ab

Der NRW-Ministerpräsident will wegen der Zustände in dem Flüchtlingslager auf Lesbos Kinder aufnehmen – sofern Innenminister Seehofer dies erlaubt

Von Christian Jakob

Den Flüchtlingen mutet die EU den Aufenthalt im Lager Moria auf Lesbos teils jahrelang zu, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hielt es nicht mal kurz aus: Am Dienstag brach er einen Besuch in Moria ab, aus „Sicherheitsgründen“, wie es hieß.

Grund dafür waren „Gruppen von Flüchtlingen“, die sich versammelt hatten und in Sprechchören „Free Moria“ riefen. Laschet sprach später von einem „Aufschrei der Verzweifelten“. Die „ganze Europäische Union“ müsse „jetzt wach werden“, sagte der Kandidat für den CDU-Parteivorsitz.

Das von der EU und Griechenland betriebene Aufnahmezentrum hat 3.000 Plätze, dort sind aber 14.000 Menschen untergebracht. Die Insel verlassen dürfen sie nicht. Im März wurde wegen Corona eine Ausgangssperre verhängt, die mittlerweile sieben Mal verlängert wurde, zuletzt bis zum 31. August. Die Lebensbedingungen sind in jeder Hinsicht katastrophal. Allein in diesem Jahr sind mehrere Menschen bei Bränden und Messerstechereien gestorben oder getötet worden.

Begleitet wurde Laschet vom nordrhein-westfälischen Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) und dem griechischen Vize-Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos sowie Polizei. Laschet zeigte sich wenig überrascht von den Sprechchören im Camp Moria. „Die Menschen sehen, da sind Politiker aus Europa, und sie wollen ihren Aufschrei uns gegenüber artikulieren.“ Das sei für alle eine „bedrückende Situation“, sagte Laschet. „Aber ich glaube, das Signal ist angekommen. Europa muss sich dieser Aufgabe annehmen.“

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft biete die Chance, „eine dauerhafte Lösung“ für das Flüchtlingsproblem zu entwickeln, sagte Laschet. Auch Nordrhein-Westfalen wolle seinen Hilfsbeitrag leisten und besonders betroffene Kinder und deren enge Angehörige in den nächsten Wochen nach Nordrhein-Westfalen holen, kündigte Laschet an. Solche Pläne haben mehrere Bundesländer. Doch Innenminister Horst Seehofer (CSU) verweigert diesen dafür teils seine Zustimmung. Erst in der vergangenen Woche hatte er ein geplantes Berliner Landesaufnahmeprogramm untersagt.

Laschet traf auf Lesbos auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Die hatte erst vor wenigen Tagen geklagt, dass sie gezwungen wurde, ihr Isolationszentrum für Covid-19-Verdachtspatienten in der Nähe von Moria zu schließen. Lokale Behörden auf Lesbos hätten wegen der Einrichtung Bußgelder gegen Ärzte ohne Grenzen verhängt, es drohte zudem eine strafrechtliche Verfolgung auf Grund von Raumplanungsvorschriften.

Nach Angaben des Grünen-EU-Abgeordneten Erik Marquardt soll es sich um eine Strafe von 35.000 Euro handeln, weil auf dem Industriegelände keine Klinik eröffnet werden dürfe. „Ein Vorwand“, so Marquardt. „Nun muss das Zentrum geschlossen werden, und die Menschen sind dem Virus noch schutzloser ausgeliefert.“

Stephan Oberreit, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Griechenland, zeigte sich „zutiefst enttäuscht, dass die Behörden auf Lesbos diese Bußgelder und die Drohung mit einer Klage aufrechterhalten“. Das Gesundheitssystem auf Lesbos wäre mit einem Ausbruch von Covid-19 in Moria überfordert. „Nur deshalb sind wir überhaupt eingesprungen.“ Das Zentrum wurde am 6. Mai eröffnet.

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