Diskriminierung bei Banken: Kampf ums Konto
Banken dürfen Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft nicht benachteiligen. Trotzdem häufen sich Berichte über plötzlich geschlossene Konten.
Maher hört sich in seinem Bekanntenkreis um, in einer internationalen Facebook-Gruppe und auf Vergleichsseiten. Er stößt auf Berichte von weiteren Menschen, denen eine Kontoeröffnung verweigert oder deren Konto im Nachhinein ohne Angabe von Gründen geschlossen wurde. Meist handelt es sich um Menschen mit ägyptischer Staatsbürgerschaft, weshalb Maher befürchtet, diskriminiert worden zu sein. Anders kann er sich die Vorfälle nicht erklären, denn als Architekt verdient er sehr gut, vorbestraft sei er auch nicht. „Ich finde das sehr erniedrigend“, sagt der 27-Jährige, der seit sechs Jahren in Deutschland lebt. „Ich akzeptiere das nicht, wir sind keine Menschen zweiter Klasse.“
Denise Kramer, Lehrbeauftragte am Zentralinstitut El Gouna der TU Berlin in einem internationalen Studiengang, sind ähnliche Vorfälle bekannt. „Eine Studierende ägyptischer Staatsangehörigkeit ist zu mir gekommen und hat mir von ihrer Hilflosigkeit erzählt, weil sie kein Konto eröffnen kann. Auch mehreren ihrer Freund*innen sei schon Ähnliches passiert“, sagt Kramer. „In dem Zusammenhang fielen vor allem die Namen der Deutschen Bank und der Commerzbank.“ Jede*r der Studierenden könne eine Handvoll weiterer Personen nennen, denen Ähnliches widerfahren ist. Ohne Konto sind Arbeits- und Wohnungssuche schwierig, auch Stipendien oder Visa können dadurch gefährdet sein.
In einer Facebook-Gruppe internationaler Studierender in Dessau berichten rund ein Dutzend Menschen, dass ihnen eine Kontoeröffnung verweigert oder ihr Konto nach mehreren Jahren ohne Angabe von Gründen geschlossen worden sei. Meistens ist hier die Rede von der Commerzbank. Die abgelehnten Vertragspartner*innen eint vor allem die ägyptische Staatsangehörigkeit, aber auch Menschen mit pakistanischer, bengalischer und mexikanischer Staatsangehörigkeit berichten von ähnlichen Erfahrungen, die sie nicht einordnen können.
Pauschale Ablehnung gibt es nicht
Der Pressesprecher der Commerzbank AG, Mathias Paulokat, teilt auf taz-Anfrage mit, man äußere sich nicht zu einzelnen Kontoverbindungen. „Grundsätzlich dürfen wir als Privatbank Konten auf der Basis unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohne weitere Angabe von Gründen kündigen“, so Paulokat. Der Bezug der Kontokündigung aufgrund der Staatsangehörigkeit und/oder der ethnischen Herkunft sei in jeder Hinsicht falsch. Auf den Vorwurf, Kontoeröffnungen bisweilen aufgrund der Staatsangehörigkeit zu verweigern, ging die Bank in ihrer Stellungnahme nicht ein.
Ein Sprecher der Deutschen Bank teilte auf taz-Anfrage mit, eine pauschale Ablehnung von Kontoeröffnungen aufgrund einer bestimmten Nationalität finde nicht statt. Als international tätiges Haus müsse man unter anderem den internationalen Vorgaben zur Prävention von Geldwäsche bei der Identifizierung von Geschäftspartnern genügen. Die Staatsangehörigkeit sei dabei einer der Faktoren, die bei einer Kontoeröffnung zu prüfen seien.
„Bei Kunden mit Staatsangehörigkeit eines sogenannten,Risiko- oder Hochrisikolands' müssen gemäß den gesetzlichen Regelungen,erhöhte Sorgfaltspflichten' angewendet werden“, so der Sprecher. Im Einzelfall könne eine derartige Prüfung dazu führen, dass man kein laufendes Konto anbiete. Unabhängig davon gebe es jedoch die Möglichkeit eines Basiskontos nach dem Zahlungskontengesetz (ZKG).
In Deutschland gilt grundsätzlich Vertragsfreiheit. Damit ist es auch in der Finanzwirtschaft rechtlich zulässig, wenn eine Bank die Eröffnung eines Kontos oder anderer Finanzprodukte ablehnt. Verträge über Girokonten sind jedoch vom Schutzbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) umfasst.
Die Ablehnung des Vertragsabschlusses aufgrund der ethnischen Herkunft ist verboten, wenn sie nicht sachlich gerechtfertigt werden kann. Da Banken jedoch keine Auskunft darüber geben müssen, warum sie eine Kontoeröffnung ablehnen oder ein bereits existierendes Konto schließen, ist es schwer nachzuvollziehen, wann es sich tatsächlich um eine Diskriminierung handelt.
Staatsangehörigkeit ist ausschlaggebend
Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gingen in den vergangenen zwei Jahren rund 40 Anfragen ein, bei denen Menschen mit iranischer, aber auch ägyptischer, syrischer oder afghanischer Staatsbürgerschaft die Eröffnung eines Kontos verweigert oder ein Konto gekündigt wurde. Ausschlaggebend sei bei diesen Vorfällen die Staatsangehörigkeit, vermutet Ann Kathrin Sost von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. „Aus unserer Sicht kann hier, wenn eine Kontoeröffnung pauschal wegen der Staatsbürgerschaft abgelehnt oder im Nachhinein gekündigt wird, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegen“, so Sost.
Die Antidiskriminierungsstelle hat sich für eine grundsätzliche Klärung an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und den Bankenverband gewandt. Letzterer verweise in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Finanzsanktionen gegen Länder wie Iran und Syrien sowie geldwäscherechtliche Vorgaben, die im Einzelfall gegen die Aufnahme oder Fortführung einer Geschäftsbeziehung stünden.
„Wir können die Argumentation der Banken nicht vollumfänglich nachvollziehen“, sagt Sost dazu. „Aus unserer Sicht muss es immer eine Einzelfallprüfung geben, statt pauschal aufgrund der ethnischen Herkunft zu urteilen.“ Die Vertragsfreiheit sei insofern eingeschränkt, als dass eine Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft der Kontoinhaber*innen gesetzlich nicht erlaubt sei.
Man wende sich an die Antidiskriminierungsstelle
Anders als die ethnische Herkunft ist die Staatsangehörigkeit nicht im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt. Eine Klage hat auch deshalb wenig Aussicht auf Erfolg. Die Antidiskriminierungsstelle fordert die Aufnahme der Kategorie „Staatsangehörigkeit“ ins AGG. Eine rechtliche Konkretisierung des Merkmals „ethnische Herkunft“ könnte auch die Rechtsposition von Betroffenen gegenüber Banken stärken, vermutet Sost.
Wer meint, bei der Kontoeröffnung diskriminiert worden zu sein, kann sich bereits jetzt an die Beratungsteams der Antidiskriminierungsstelle wenden, die auf Wunsch eine gütliche Einigung mit der entsprechenden Bank anstreben.
Verbraucher*innen, die sich rechtmäßig in der Europäischen Union aufhalten, haben in Deutschland darüber hinaus jedoch zumindest Anspruch auf ein Basiskonto, ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen. Dies sieht das Zahlungskontengesetz (ZKG) vom 11. April 2016 vor. Wird die Eröffnung eines Basiskontos verweigert, kann man sich an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wenden, die Verwaltungsverfahren durchführt.
Jede*r hat ein Recht auf ein Konto
„Jeder, der in Deutschland lebt, hat ein Recht auf ein Konto“, unterstreicht Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzmarkt des Bundesverbands Verbraucherzentrale. „Banken dürfen das nicht verweigern. Nach allem, was wir wissen, funktioniert das auch.“ Banken seien jedoch nicht dazu verpflichtet, solche Basiskonten aktiv anzubieten. „Ich habe die Erwartung, dass die Banken ihre Pflichten kennen und nicht eventuelle Wissenslücken durch vielleicht intransparentes Verhalten ausnutzen, sondern Anfragende auf diese Möglichkeit der Kontoeröffnung hinweisen.“
Das Zauberwort „Basiskonto“ könnte also weiterhelfen, wenn einem die Kontoeröffnung verweigert wird. Vermutlich ist es in den meisten Fällen jedoch einfacher, sich direkt an eine andere Bank zu wenden. Ramy Maher versucht es weiter.
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