Mietendeckel-Urteil aus Bayern: Noch ist der Deckel nicht drauf

Ist Mietpreisregulierung eine Länderkompetenz? Der Berliner Senat hält ein Urteil zum Mietendeckel aus Bayern für nicht übertragbar.

Ein Demonstrant hält ein Schild hoch, auf dem steht: "Mieter sind keine Zitronen"

Für Landesverfassungsrichter:innen in Bayern anscheinend doch Foto: imago

BERLIN taz | Heben die Bayern den rot-rot-grünen Berliner Mietendeckel? Ein Urteil des bayerischen Landesverfassungsgerichts stellt die grundsätzlichen Landeskompetenzen für einen Mietenstopp infrage. Ein Volksbegehren in Bayern wollte einen Mietendeckel nach Berliner Vorbild und ist nun an den bayerischen Verfassungsrichter:innen gescheitert. In einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung urteilt das Gericht, dass ein Volksbegehren für einen Mietenstopp in Bayern unzulässig sei, weil der Gesetzesentwurf mit Bundesrecht „offensichtlich unvereinbar“ sei.

Auch im Streit über den Berliner Mietendeckel wurde dieser Punkt kontrovers diskutiert, im Gesetzgebungsverfahren kamen verschiedene Gutachten zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen dazu. Dem Berliner Mietendeckel steht noch eine Prüfung vor den Verfassungsgerichten sowohl auf Bundes-, als auch auf Landesebene bevor: CDU und FDP haben gegen das R2G-Gesetz geklagt.

Mit dem Mietendeckel hatte die rot-rot-grüne Koalition wegen der anhaltenden Wohnungsnot in Berlin die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren. Er gilt seit Februar 2020, und ab November sind sogar Mietsenkungen möglich – wenn der Deckel nicht von Gerichten gekippt wird. Ab 2022 dürften die Mieten jährlich um 1,3 Prozent steigen. Auch bei Wiedervermietungen müssen sich Vermieter:innen an festgelegte Obergrenzen halten. Für Neubau gilt der Deckel nicht.

Die Berliner CDU und FDP freuten sich am Donnerstag recht unverhohlen über das Scheitern der bayerischen Volksinitiative. Das Urteil sei eine Ohrfeige für den Berliner Senat, sagte Berlins CDU-Chef Kai Wegner am Donnerstag. „Der Mietendeckel steht endgültig vor dem Aus.“ Auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmer feierte. Vorständin Maren Kern sagte: „Die Münchner Entscheidung ist ein klares Signal für Berlin. Mietrecht ist und bleibt Bundesrecht.“ Sie sei sehr erleichtert über das Urteil, das den Verband in seiner Rechtsauffassung bestärke.

„Keine Auswirkungen auf Mietendeckel in Berlin“

Der Berliner Senat hält das bayerische Urteil dennoch nicht für Berlin anwendbar: Die zuständige Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Linke), sagte der taz: „Auf das in Berlin geltende Gesetz zum Mietendeckel hat das Urteil keine Auswirkungen.“ Die Kompetenzfrage könne nur abschließend vom Bundesverfassungsgericht beantwortet werden. Auch unterscheide sich das Berliner Gesetz „inhaltlich deutlich vom bayerischen Vorschlag. Deshalb gehen wir davon aus, dass es einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten wird“, so Lompscher. Für die bayerische Volksinitiative sei es allerdings „bitter“.

Die mietenpolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, hielt vor allem die Freude der CDU über das Urteil für „zynisch“ und „mieter:innenfeindlich“: „Die CDU hat auf Bundesebene durch unterlassene Hilfeleistung den rasanten Mietanstieg seit Jahren mitzuverantworten“, sagt Schmidberger. Es werde deutlich, auf wessen Seiten die CDU mietenpolitisch stehe. Zum Urteil sagt sie: „Die Gesamtkonzeption des Berliner Deckels ist komplett anders als der bayerische Mietenstopp und lässt keinerlei Rückschlüsse auf Berliner Mietendeckel zu.“

Rouzbeh Taheri, Enteignungs-Ini

„Das ist ein Rückschlag für alle Mieter:innen“

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sven Kohlmeier, sah in dem bayerischen Urteil gar eine offene Tür. Natürlich habe ein Verfassungsgerichtsurteil immer Symbolwirkung, so Kohlmeier. Aber das Urteil bedeute nicht, dass ein Mietendeckel grundsätzlich nicht in der Länderkompetenz liege.

Das Urteil enthalte gar einen Hinweis darauf, wie ein Mietendeckel funktionieren könne: Nämlich wenn er in ein „öffentlich-rechtliches Gesamtkonzept“ eingebettet ist, so Kohlmeier zur taz. Nur sei die Frage, ob dies in Berlin ausreichend geschehen sei, so Kohlmeier. Zweifel habe er da mit Blick auf Neubau und eine uneinheitliche Handhabung des Vorkaufsrechts in den Bezirken.

Gaby Gottwald von den Linken griff die Rechtsauffassung des bayerischen Verfassungsgerichts offen an: „Das Landesverfassungsgericht redet von offensichtlich unvereinbar, das halten wir für eine sehr gewagte Interpretation.“ Noch in einem Eil-Urteil habe das Bundesverfassungsgericht im März entschieden, dass dies grundsätzlich zu prüfen sei, so Gottwald: „Es ist ein bisschen übergriffig, dass Bayern nun diese Entscheidung vorwegnehmen will.“

Gleichwohl sei die mögliche Einbettung eines Mietenstopps in eine Gesamtstrategie ein interessanter Gedanke. Vor allem mit Blick auf die nächste Legislatur: „Wir diskutieren schon seit Monaten ein gesamtes Wohnungswirtschaftsgesetz, in dem Preisregulierung ein Teil ist und verschiedene Bereiche zusammengeführt werden.“ Sie gehe aber ebenso wie die Senatorin davon aus, dass der Berliner Mietendeckel halten werde.

Ramona Pop: „Mit Plan B vorbereitet sein“

Ramona Pop, Grünen-Senatorin für Wirtschaft, plädierte jedenfalls dafür, für alle Fälle gewappnet zu sein: „Berlin muss mit einem Plan B vorbereitet sein, falls der Mietendeckel für unwirksam erklärt wird.“ Dafür brauche es eine Auffanglösung über einen Mietspiegel, um Mieter:innen vor dramatischen Rechtsunsicherheiten zu schützen. An einem Mietspiegel arbeitet der Senat bereits.

Tatsächlich scheint derzeit vieles möglich – Gewissheit gibt es wohl erst mit dem Urteil des Bundesverfassungsgericht. Auch das 47-seitige Urteil aus Bayern enthält ein Sondervotum – demnach halten drei der neun Richter:innen den Mietendeckel auch für eine Kompetenz der Länder.

Berlins eigene wohnungspolitische Volksinitiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ sah sich durch das Urteil darin bestätigt, dass es über den Mietendeckel hinaus weitere Maßnahmen gegen Verdrängungen und Mietenwahnsinn geben müsse.

Sprecher Rouzbeh Taheri sagte der taz: „Das negative Urteil gegen den Mietenstopp in Bayern ist ein Rückschlag für alle Mieter:innen“ Die Bedeutung für Berlin sei nicht abzusehen, allerdings mache „das Urteil deutlich, dass es ein großer Fehler wäre, wenn wir uns allein auf das Instrument des Mietendeckels beschränken“, so Taheri. Mit der Vergesellschaftung stünde ein Instrument zur Verfügung, das eine gemeinwohlorientierte Reform des Wohnungssektors erlaubt.

Die Verfassungsmäßigkeit von Enteignungen ist aus Sicht vieler Verfassungsrechtler:innen weniger umstritten. Dort ist nach allgemeiner Meinung eher die Finanzierung fraglich. Taheri jedenfalls sagt: „Wir hoffen weiterhin auf einen Bestand des Berliner Mietendeckels. Es wird jedoch deutlich, dass es wohnungspolitisch unverantwortlich ist, nur auf diese Karte zu setzen. Wir fordern weiterhin: erst richtig deckeln, dann enteignen.“

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