Rassistische Drohbriefe in Hannover: Gastronomen bekommen Hass-Post

Mehrere türkischstämmige Gastronomen in Hannover haben rassistische Drohbriefe erhalten. Die Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung.

Ein Mann mit verschränkten Armen und wütendem Blick steht vor einem Restaurant

Rassistisch bedroht: Gastronom Mehmet Kılıç vor seinem Restaurant im Steintorviertel Foto: Christian Wyrwa

Ein an „alle türkischen Geschäfte und Moscheen“ gerichtetes Drohschreiben haben mehrere türkische Gastronomen am Steintor in Hannover am vergangenen Wochenende erhalten. Die Staatsanwaltschaft in Hannover nimmt das eine Seite umfassende Schreiben ernst. „Wir wissen, dass solche Schreiben auch schon umgesetzt wurden“, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Klinge der taz. Es könne eine Unmutsäußerung sein, aber eben auch ein Tatankündigung.

Bis jetzt sei aber noch unklar, wie viele Briefe anonym versendet wurden, sagt Klinge. Zwei seien schon bekannt, die Polizei ermittelt aber noch vor Ort, fragt weitere Gastronomen im Viertel. Einer der Betroffenen ist Mehmet Kılıç. Am Sonnabend fand er einen Brief mit dem Text in seiner Post und erstattete umgehend Anzeige. In dem Schreiben, dass dem NDR vorliegt, steht unter anderem: „Ihr werdet vernichtet“ und: „haut endlich ab, ihr scheiß Drecks-Kanaken, wir hassen euch“. Am Steintor, so das Schreiben weiter, werde es „bald schweren Krieg geben (...) verlasst euch drauf“.

Der Brief besorgt Kılıç, der das türkische Restaurant „Urfa Sofrasi“ mit 30 Mitarbeitern betreibt. Seit 26 Jahren lebt er in Deutschland, seine Töchter sind hier geboren. „Bisher hatten wir solche Probleme in Hannover nicht“, sagte er dem NDR. Nun sorge er sich um die Familie und die Mitarbeiter: „Ich hoffe, dass die Polizei uns unterstützt.“

Unterzeichnet ist das Schreiben mit: „Die Deutschen“. Gedroht wird darin auch, dass Rocker bald Moscheen anzünden würden und Kontakte zum stadtbekannten „Hells Angels“-Chef Frank Hanebuth bestünden. In der niedersächsischen Landeshauptstadt sind die Rocker im Steintorviertel schon lange eine Größe. Über seinen Anwalt hat sich Hanebuth aber schon von dem Schreiben distanziert und versichert, „den Verfasser“ nicht zu kennen.

Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob die vorliegenden Briefe von einer einzigen Person stammen oder von mehreren Personen. Ermittelt wird wegen Volksverhetzung. „Wir werden alles versuchen, um diesen Absender zu fassen“, sagt Oberstaatsanwalt Klinge.

Ähnliche Fälle im Norden

In Schleswig-Holstein hatte die Polizei vor knapp einen Jahr im Fall eines anonymen Hass-Brief-Schreibers einen Ermittlungserfolg. Im April 2019 nahm sie den einschlägig polizeilich bekannten André M. aus Halstenbek fest. In der Folge offenbarten die Ermittlungen, dass noch eine zweite Person mitwirkte – entdeckt hat die Polizei sie bislang nicht.

Seit Dezember 2018 hatte M. in nur drei Monaten von anonymisierten E-Mail-Adressen aus 103 Drohschreiben unter anderem an Linken- und GrünenpolitikerInnen, an die Bundesjustizministerin, an JournalistInnen und die Sängerin Helene Fischer versendet. Unterzeichnet waren sie mit „Nationalsozialistische Offensive“ (NSO).

Im Darknet hatte M. Gewaltaufrufe veröffentlicht. Die meisten seiner Briefe enthielten Bombendrohungen – gerichtet an Gerichte, Rathäuser, Behörden, Bahnhöfe oder auch das autonome Zentrum Rote Flora in Hamburg. M. hatte die Ermittler selbst auf seine Spur gebracht, weil er über die Monate immer unvorsichtiger geworden war.

Im Mai dieses Jahres fanden AnwohnerInnen in der hannoverschen Südstadt rassistische Briefe in ihren Briefkästen. Unterzeichnet waren sie mit: „Nationalsozialistische Offensive Deutschland (im Auftrag der NPD)“. Ein Zeugenhinweis brachte die Polizei auf die Spur des Täters: Der 19-Jährige hatte den Bedrohten in dem Brief in einer Liste zum Ankreuzen verschiedene Tötungsmethoden wie „Vergasung mit Zyklon B“ oder „Verbrennung“ angeboten.

„Abschiebär“ vorm Dönerladen

Im Januar dieses Jahres war die Polizei in der Südstadt gegen die rechtsextreme „Calenberger Bande“ vorgegangen. Die Gruppe soll monatelang vor allem in der Region diverse Anschläge und Sachbeschädigungen begangen haben. Die führenden Kader Patrick K.und Daniel B. waren bereits bei der 2012 verbotenen rechtsextremistischen Gruppierung „Besseres Hannover“ aktiv. Eines ihrer „Markenzeichen“ war die Kunstfigur des „Abschiebärs“: In Hannover tanzte ein rechter Kamerad in Bärenkostüm und „Abschiebär“-T-Shirt vor einem Dönerladen und einem Imbiss– und zeigte den Hitlergruß. Auch die „Calenberger Bande“ versendete Droh-E-Mails.

Zuletzt erhielten PolitikerInnen aus Niedersachsen im Juni handschriftliche Drohbriefe mit eindeutigen Symbolen und mit einer weißen Substanz. Betroffen waren Politiker*innen aus dem Landkreis Hameln-Pyrmont und Parteibüros von SPD, CDU, Linken und Grünen in Göttingen. Die Substanz erwies sich als ungefährlich.

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