Mutmach-Musikvideo aus Wilhelmshaven: Flimmernder Freundschaftsdienst

40 Wilhelmshavener Musiker*innen setzen unter Coronabedingungen eine Beatles-Coverversion in Szene. Ein Lebenszeichen aus dem Kulturbereich.

Ein Mann mit Cowboyhut spielt am Deich sitzend eine Singende Säge

Nicht unterkriegen lassen: André Schulze bringt die Säge zum Singen Foto: Screenshot Youtube

HAMBURG taz | „Eine leere Geste“: Das war eher noch eine der schwächeren Formulierungen. Nein, so richtig Gefallen gefunden hatte Jon Caramanica nicht an dem Video, mit dem sich früh im Pandemie-März eine Reihe echter Weltstars aus der damals noch frischen heimischen Quarantäne meldeten: Initiiert von „Wonder Woman“-Darstellerin Gal Gadot sangen diverse Schauspieler*innen, aber auch einige sehr viel Berufenere – nämlich: vom Singen Lebende – John Lennons „Imagine“.

„Man könnte sagen, dass jede Krise den Promi-Pophymnen-Autounfall bekommt, die sie verdient. Aber keine Krise – ganz sicher keine, die so groß und beunruhigend ist wie die jetzt gerade – verdient dies“, schrieb der Popkritiker der New York Times. Er erkannte in dem Projekt „eines Haufens Superberühmter mit fünf Sekunden überschüssiger Zeit“ gar einen „Beweis dafür, dass sich Schrecklichkeit ausbreiten kann, selbst wenn sich niemand persönlich trifft“. Autsch!

Auch in den sozialen Netzwerken wurde laut darüber nachgedacht, ob die Beteiligten nicht einfach, sagen wir: Geld hätten spenden können. Trotzdem fand die Sache Nachahmer*innen. So sang etwa auch die Schweizer Fußballnationalmannschaft getrennt und doch gemeinsam eine „Imagine“-Version ein. (Allerdings rollte auch zügig eine Welle von Parodien unterschiedlicher Güte heran.)

Für Lennons Ballade spricht, wenn es um solche Projekte geht, Zweierlei: Sie ist, gelinde gesagt, ziemlich bekannt, auch unter Menschen, die sich nicht interessieren für irgendwelches Distinktionsgehuber; man könnte auch vom kleinsten gemeinsamen Nenner sprechen. Und der Text doppelt noch die gute Absicht: „Stellt euch doch mal vor, wie es wäre, wenn...“

Musik mit Abstand

Insofern ganz im Sinne Gadots und ihrer Hollywood-Entourage war dann auch die Idee eines Schwungs Wilhelmshavener Musiker*innen: Weil dort ja auch der Kulturbetrieb stillsteht, dem Virus sei Dank, wollte man ein Lebenszeichen in die Welt senden – und nicht bloß nebenbei hinweisen auf die sehr reale Not, in die etwa freischaffende Musiker*innen geraten, wenn plötzlich alle Auftrittsmöglichkeiten wegfallen. Beworben wird mit dem nun präsentierten viralen Video deshalb auch ein Benefizkonzert zu Ostern 2021 im örtlichen „Pumpwerk“.

Unter Wahrung der Abstandsregeln spielte man also auch einen zur Hälfte Lennon'schen Hit ein – und rein technisch ist das Wilhelmshavener „With A Little Help From My Friends“ sehr viel ambitionierter als das „Imagine“ vom März: Die hier beteiligten Leute wissen, was sie tun, sei's an einer der bemerkenswert vielen stilsicheren E-Gitarren, die da ihren Auftritt haben; sei's an der Säge, beinahe meditativ auf einsamem Deich zum Singen gebracht.

Was wohl der Kritiker der New York Times davon halten würde?

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