Rechter Terror in Niedersachsen: Anschlag auf Aktivistin
Zwei Rechtsextremisten sollen versucht haben, die Wohnung einer Nazigegnerin in Einbeck zu sprengen. Dabei verletzte sich einer der Täter schwer.
„Die Sprengwirkung war so stark, dass Trümmer des Briefkastens mehrere Meter weit in den Wohnbereich geschleudert wurden“, sagte der Göttinger Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, der die Betroffene vertritt. Das Ausmaß der angerichteten Zerstörung zeige, wie gefährlich der Sprengsatz gewesen sei: „Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn sich ein Mensch hinter der Tür befunden hätte.“
Die Tat ereignete sich gegen 3.50 Uhr am frühen Mittwochmorgen. Weil vom Tatort nach Angaben der Göttinger Staatsanwaltschaft eine Blutspur zu einem nahegelegenen Wohnhaus führte, wurde einer der Verdächtigen schnell identifiziert. Der 26-Jährige hatte eine Hand verbunden, als die Polizei eintraf. Er ist in der Einbecker Neonazi-Szene aktiv. Der zweite mutmaßliche Täter wohnt in derselben Wohnung.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Donnerstag, beide Männer seien vorläufig festgenommen worden. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung seien auch Waffen beschlagnahmt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, wie deren Sprecher Frank-Michael Laue auf Anfrage mitteilte. Rechtsanwalt Kahlen prüft überdies auch weitere rechtliche Schritte gegen die Täter wie eine Nebenklage oder Schadensersatzforderungen wegen der Zerstörungen in der Wohnung.
Rechte Drohungen sind an der Tagesordnung
Nach Angaben von Kahlen engagiert sich die betroffene Frau sowohl bei der Initiative „Seebrücke“ als auch gegen die Einbecker Neonazi-Szene. Sie sei bereits in der Vergangenheit von Rechtsextremisten bedroht worden. Frühere Drohungen gegen die Betroffene bestätigt auch Silke Doepner von der Beratungsstelle Rechtsextremismus-Prävention in der nahen Kreisstadt Northeim: „Die Frau war deswegen vor zwei Monaten bei mir.“
Doepner weiß zudem von mindestens zehn anderen Fällen in jüngster Zeit, bei denen linke Aktivisten aus Einbeck von Nazis bedroht wurden. Meistens sei das auf der Straße geschehen, mit Sprüchen wie „Wir kennen dich“ oder „Wir wissen, wo du wohnst“. Das Bündnis „Einbeck ist bunt“ habe eine Drohung via Facebook erhalten. Für Doepner war dabei „keine Frage, dass den Drohungen irgendwann auch Taten folgen würden“. Die Neonazis müssten schließlich in ihrer Szene beweisen, dass es nicht beim Sprücheklopfen bleibe, sagt sie.
Das „Offene Antifaschistische Treffen Einbeck“ (OATE) erklärte am Donnerstag: „Wir haben schon lange vor der eskalierenden rechten Gewalt gewarnt, niemand hat uns ernst genommen in dieser Stadt. Die Cops nicht, die Stadtverwaltung nicht und viele Bürger*innen leider auch nicht. Sie stellen es als ein Aufschaukeln von rechts und links dar.“ Die Gewalt habe nun ein neues Level erreicht.
Einbeck gilt seit längerem als eine Hochburg von Neonazis, die rechtsextreme „Kameradschaft Einbeck“ und die Partei „Die Rechte“ sind in der Kleinstadt im Süden Niedersachsens aktiv. Im vergangenen November hatten Einbecker Rechtsextremisten bei einer Führung durch die KZ-Gedenkstätte Moringen das Personal provoziert. Anschließend posierten sie mit nach oben gerichteten Daumen vor der Gedenkstätte. Die für das Foto geöffneten Jacken gaben den Blick frei, auf T-Shirts mit dem Schriftzug „Zensiert!“ sowie mit der Aufschrift „Fuck you Israel“ und einem durchgestrichenen Davidstern.
Anfang April durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen von Angehörigen der Nazi-Szene in Einbeck. Nach Angaben des niedersächsischen Landeskriminalamtes wurden dabei auch Waffen beschlagnahmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos