Problemgerät Gemüsehobel: Blut spritzt am Bärchenwurstmuster

Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und Fingerkuppen. Außer man hat das richtige Gerät. Unser Kolumnist hat es nicht. Und verzweifelt.

Harald Juhnke steht an einem Marktstand und hobelt Gemüse mit einem Gemüsehobel, vor ihm stehtn zwei jüngere Leute

Was hätte aus ihm werden können, wenn er einen besseren Gemüsehobel besessen hätte? Foto: imago images / United Archives

Gurken, Karotten, Zwiebeln, Radieschen, Orangen, Nüsse, Steine, Tischtennisbälle und Träume, wie viele von ihnen gingen während meiner Kindheit durch die Hobel? Es schien das Schicksal alles Dinglichen zu sein, eines Tages, sehr bald schon, gehobelt zu werden. Nicht nur gehobelt: Es wurde gerieben und geschält, was das zu zerlegende Zeug nicht hielt.

Oh Kindheit, oh glorreicher Morgen ungehemmten Shopping-TV-Konsums! Immer dann, wenn die Stars der French Open oder der Snooker-WM sich von anstrengenden Vortagen, erschöpfenden Begegnungen mit Landsfrauen und mordsmäßiger Beinarbeit erholend die Sportsenderfrequenzen ein paar Stunden den Hobelköchen überließen, war ich mit dabei. Und sah, wie der Nicer Dicer Plus mit genau dem gleichen gespielten Genuss, der gleichen Ekstase des „Ich kann schier nicht fassen, dass ich existiere!“ vorgeführt wurde, die ich ein paar Jahre später in Pornos wiederfand.

Noch ein paar Jahre später ist der Lack ab. Ich kenne alle Pornos in- und auswendig und für einen Nicer Dicer samt des durch ihn stündlich durchzuhobelnden Materials fehlt mir das sogenannte Kleingeld. Außerdem wäre ich sicher zu faul, um die Klinge auszutauschen, obwohl das bekanntlich sehr einfach geht, und so käme bis in alle Ewigkeit der Pilz, die Zitrone oder der Parmesan im einmal eingestellten Bärchenwurstmuster herausgehobelt raus; die Abwechslung, die jeder braucht, der etwas vom Leben hält, müsste auf anderem Wege beschafft werden, was einherginge mit Adaptionskosten, Transportkosten, Depressionskosten.

Gehobelt – nicht geschält! – wird trotzdem, mittlerweile in der Küche und nicht mehr im Fernseher. Mit einem handelsüblichen Viereckshobel samt Zerreibfunktion, Handgriff und Gumminoppen am Boden gegen das Verrutschen.

Das funktioniert etwa so: Hand nimmt Gegenstand in die Hand, hält ihn an den Viereckshobel, drückt und bewegt rauf, runter, rauf, runter. Hobelsee auf Hobelunterlage wächst, ungehobelter Gegenstandsanteil schrumpft, Hand nähert sich kontinuierlich den Hobelklingen, sich an dem immer kleiner werdenden Ungehobelten festhaltend. Hand, und hier kommt das Problem, berührt schließlich die Hobelklingen, berührt sie in Bewegung, hobelt sich mithin selbst an – und ab. Zumindest ein Stückchen.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Blut fließt, Schreck schockt. Die Sekunden vor dem Aufprall: voller Angst. Chinesische Wasserfolter. Wie weit kann ich hobeln? Wann darf ich aufgeben? Wie viel Rest, wie viel Ungehobeltheit ist vertretbar: ethisch, moralisch, ökonomisch? Wie bringe ich den Rest am besten zwischen Hand und Hobel? Wie halte ich ihn am besten? Wo sind die Pflaster? Und wann, verdammt noch mal, ist das Essen fertig?

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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