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„Ein emotionales Thema, das Generationen verbindet“

Die Coronazeit nutzen viele Menschen, um ihren letzten Willen zu regeln. Sie wollen oft über ihre Familie und Freunde hinaus etwas Gutes bewirken

Dr. Cornelia Rump ist Fachanwältin für Erbrecht. Ihr Beratungsschwerpunkt liegt im Bereich der Testamentsgestaltung und Streitvermeidung. Sie ist für verschiedene gemeinnützige Organisationen tätig, hält bundesweit Vorträge und ist bundesweit auch beratend und abwickelnd tätig. Kontakt: rump@nbs-partners.de

taz: Frau Rump, wie macht die Coronakrise sich in Ihrem Arbeitsalltag als Fachanwältin für Erbrecht bemerkbar?

Cornelia Rump: Die Nachfrage nach Beratungsangeboten im Erbrecht ist aktuell sehr hoch. Nur ein kleiner Teil der Anfrage beruht dabei auf der Sorge um eine konkrete Gefahr für das eigene Leben. Viele Menschen haben aktuell einfach Zeit und Muße, sich mit der eigenen Testamentsgestaltung zu beschäftigen. Menschen schieben die Befassung mit dem eigenen Testament oft mit schlechtem Bauchgefühl lange vor sich her. So wie viele die Zeit aktuell nutzen, um endlich den Kleiderschrank aufzuräumen oder Ähnliches, gehen sie jetzt auch die ungeliebten Themen Testament und Vorsorge an. Viele Menschen streben aktuell ganz besonders nach Produktivität. Bei Ehegatten kommt hinzu, dass sie aktuell vielfach mehr Zeit als sonst miteinander verbringen und zu aufgeschobenen Themen ins Gespräch kommen.

Wann ist hierfür ein Notar, wann eine Anwaltskanzlei die richtige Adresse?

Notare sind wie Anwälte Rechtsexperten. Beide agieren aber in unterschiedlichen Rollen. Aufgabe eines Notars ist es, das Testament zu beurkunden, formaljuristische Korrektheit zu garantieren. Er befindet sich grundsätzlich in einer neutralen Position. Ein Anwalt hingegen ist dezidiert Interessenvertreter seiner Klienten. Er berät gegebenenfalls auch über steuerliche Konsequenzen. Die Kosten bei einem Notar und einem Anwalt unterscheiden sich zum Teil sehr.

Ist es beim letzten Willen mit juristischem Know-how getan?

Erben und Vererben ist ein emotionales Thema, das die Generationen verbindet. Rechtsunsicherheit und die Emotionalität der mit einem Nachlass verbundenen Themen sind für einen juristischen Laien hohe Hürden. Neben juristischem Sachverstand sind also auch soziale Qualitäten von großer Bedeutung. Der Erblasser sollte, wie andere Klienten auch, mit seinem Anwalt harmonieren. In dieser Hinsicht ist es gut, bei der Wahl des Rechtsbeistands auf sein Bauchgefühl zu achten. Ein Mandant sollte sich auch menschlich verstanden fühlen. Nur so kann man ein intimes Anliegen wie den letzten Willen gemeinsam verfassen. Ein guter Anwalt bringt menschliches und wirtschaftliches Verständnis für das gewünschte Ergebnis mit. In der Regel gilt es dann, möglichst schlanke rechtliche Regelungen zu erarbeiten. Lediglich wenn der konkrete Fall es erfordert, wird es entsprechend komplexer.

Lässt sich die Zukunft denn überhaupt planen?

Weil Vieles ungewiss ist, müssen Juristen Fragen stellen, um den Willen abschließend zu erfassen. Wurden zum Beispiel bestimmte Eventualitäten nicht bedacht, wird nachgehakt. Was soll geschehen, wenn ein potenzieller Erbe schon vor dem Testierenden verstirbt? Was soll gelten, wenn sich die Vermögenssituation ändert, etwa das Haus wegen der Pflegekosten verkauft wird? Um ungewollten Ergebnissen vorzubeugen, sollte in einem Beratungsgespräch die Zukunft dynamisch durchgespielt werden.

Was wollen Menschen über ihrem Tod hinaus?

Werte zu hinterlassen, beschränkt sich nicht nur auf die Familie und Freunde. Ob sozial, ökologisch oder in einem anderen Sinne: Menschen nutzen unzählige Möglichkeiten, mit ihrem Nachlass ganz konkrete Projekte zu unterstützen. Gerade in der aktuellen Coronazeit sind insbesondere gemeinnützige Organisationen als Ansprechpartner sehr gefragt. Größere gemeinnützige Vereine und Stiftungen sind darauf vorbereitet, dass Menschen sie auch durch eine Begünstigung im Testament unterstützen. Sie bieten Informationsmaterial und sind auch telefonisch ansprechbar. In unterschiedlichem Maße können sie auch die Abwicklung eines Nachlasses übernehmen und dabei individuelle Wünsche berücksichtigen. Hierzu sollte man ganz unverbindlich zu Lebzeiten mit der entsprechenden Organisation ins Gespräch kommen. Manche Organisationen helfen auch bei dem Kontakt zu einem Anwalt für die konkrete Umsetzung des Testaments.

Interview: Lars Klaaßen

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