: Krisensitzung nach JVA-Vorfall
Nach dem Fluchtversuch des Halle-Attentäters wird dieser verlegt, die JVA-Leitung muss zum Rapport
Von Konrad Litschko
Nach dem kurzen Fluchtversuch des Halle-Attentäters Stephan B. musste sich am Donnerstag die Leitung der JVA Halle im Justizministerium Sachsen-Anhalt erklären. Über den Ausgang des Gesprächs drang vorerst nichts nach außen. Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) äußerte sich aber sehr verärgert über den Vorfall. Dieser sei „extrem ärgerlich und extrem entgegen den Festlegungen“, sagte sie dem MDR.
Stephan B. hatte laut Ministerium am Pfingstsamstag den 3,4 Meter hohen Zaun eines Freistundenhofes in der JVA Halle überklettert. Etwa fünf Minuten habe er sich danach „unbeaufsichtigt im Innenbereich der Anstalt bewegt“. Dann hätten ihn JVA-Bedienstete wieder in Gewahrsam genommen. Widerstand habe Stephan B. keinen geleistet. Am Mittwochnachmittag wurde er in die JVA Burg verlegt, ein Hochsicherheitsgefängnis.
Stephan B. hatte im Oktober 2019 versucht, schwer bewaffnet die Synagoge in Halle zu stürmen. Als dies misslang, erschoss er eine Passantin und einen Gast eines Dönerimbisses. Seine Tat übertrug der 28-Jährige ins Internet. In der JVA Halle hatte er unter strengen Auflagen in U-Haft gesessen. Sein Haftraum war kameraüberwacht, außerhalb durfte er sich eigentlich nicht ohne Aufsicht bewegen. Es werde aufgearbeitet, wie B. trotzdem das Überklettern des Zaunes gelungen sei, erklärte Keding. Die für seine Aufsicht zuständigen Beamten seien versetzt worden. Auch werde geklärt, warum der Vorfall dem Ministerium erst am Dienstagmorgen von der JVA gemeldet wurde.
Max Privorozki, Vorsteher der jüdischen Gemeinde, sagte der dpa: „Das ist unfassbar, dass er es fast geschafft hat.“ Auch Silke Schindler, Vizefraktionschefin der mitregierenden SPD, erklärte, sie sei „schockiert über den Vorfall“. Sie erwarte „unverzügliche Aufklärung“. Der Grünen-Fraktionschef Sebastian Striegel erklärte: „Das ist keine Lappalie.“ Ein solcher Vorfall dürfe nicht passieren. „Für Betroffene des Terroranschlags ist das unerträglich.“ Kommende Woche soll wegen des Vorfalls nun der Rechtsausschuss des Landtags zu einer Sondersitzung zusammenkommen.
Gegen Stephan B. soll voraussichtlich ab dem 21. Juli im Justizzentrum Magdeburg verhandelt werden. Dem Rechtsextremen wird zweifacher Mord und 68-facher Mordversuch vorgeworfen.
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