Debatte über DDR-Aufarbeitung: Opferverbände ruhigstellen

Es wird diskutiert, einen Beauftragten für die Opfer von SED-Unrecht einzuführen. In dem Vorschlag werden alle Restposten auf das neue Amt abgeladen.

Zwei Personen mit einem Handwagen mit Säcken darauf.

Erfurt 1990: Aktensicherung in der besetzten Stasizentrale Foto: Paul Langrock

Derzeit wird diskutiert, einen Beauftragten für die Opfer von SED-Unrecht einzuführen. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ist das keineswegs selbsterklärend. Nötig ist es vor allem deshalb, weil die Vielzahl und Vielfalt der Verletzungen von Menschen und Menschenrechten und ihre Langzeitwirkungen lange unterschätzt wurden.

Mit der Rehabilitierung und Haftentschädigung von politischen Gefangenen war es eben nicht getan. Doch manches an dem Vorschlag irritiert. Der Opferbeauftragte soll bei der Einschätzung von Stasibelasteten („Tätern“) mitwirken. Derartige Widersinnigkeiten zeigen, es geht nicht nur um späte Einsicht. Man will auch die Opferverbände ruhigstellen, wenn gleichzeitig der Stasi-Unterlagenbeauftragte abgewickelt wird.

Folge dieses Deals: Dem Opferbeauftragten werden Restposten zugeschoben, die bei der Übergabe der Stasi-Akten an das Bundesarchiv übrig sind. Er soll offenbar unter anderem von der Jahn-Behörde die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen und als einzige Bundesbehörde ungefilterten Zugang zu allen Stasi-Unterlagen haben. Ein derartiges Sammelsurium schadet den Menschen, denen geholfen werden soll.

Die Ungereimtheiten sind ein Symptom für Probleme, die bei der Abschaffung des Stasi-Unterlagenbehörde ungelöst sind: Ihre zwölf ostdeutschen Außenstellen, die gerade heute als Garanten für menschenrechtsbasierte Aufarbeitung dem populistischen Zeitgeist widerstehen könnten, sind keineswegs gesichert. Ihr Weiterbestehen wurde zur Beruhigung versprochen, eine gesetzliche Garantie fehlt.

Dass künftig beamtete Archivare Akten verwalten, die kein normales Archivgut sind, wird dadurch verkleistert, dass der Opferbeauftragte das Bundesarchiv beraten soll. Statt zum Opferbeauftragten mutiert das Amt zum Aufarbeitungsbeauftragten, den keiner will und keiner braucht. Aufarbeitung muss plural statt staatlich zentralisiert sein. Der Gesetzgeber sollte das Profil des Opferbeauftragten auf die Kernaufgabe konzentrieren: die Hilfe für die, die unter der SED-Diktatur gelitten haben.

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ist Historiker, Buchautor („Im goldenen Käfig. Die DDR-Anwälte im politischen Prozess“, 2017) und Sprecher des Bürger­komitees 15. Januar

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