Nach Corona-Stopp: Union will wieder abschieben

Die Innenminister von CDU und CSU wollen nach dem pandemiebedingten Abschiebestopp bald wieder ausweisen – sogar nach Syrien.

Polizeibeamte begleiten einen Afghanen auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug

Drohen bald wieder: Abschiebungen wie hier vom Flughafen Leipzig-Halle nach Afghanistan 2019 Foto: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

BERLIN taz Es ist ein pandemiebedingter Abschiebestopp: Seit Wochen finden fast keine Ausweisungen von Geflüchteten aus Deutschland mehr statt. Nun aber sollen die Abschiebungen wieder anlaufen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und einige Länder machen hier Druck.

Nach taz-Informationen wird das Thema auf der am Mittwoch beginnenden Innenministerkonferenz (IMK) in Erfurt besprochen. Seehofer soll dort laut Tagesordnung vortragen, „in welchen Schritten und in welchem zeitlichen Rahmen mit der Wiederaufnahme der Dublin-Rücküberstellungen und der Abschiebungen gerechnet werden kann“. Wie das BMI auf taz-Anfrage mitteilt, gab es im März 923 Abschiebungen, im April 30. Die Zahlen für Mai liegen noch nicht vor. Ein Sprecher Seehofers sagte der taz, dass die Rückführungen „langsam wieder anlaufen sollen“, vor allem bei Gefährdern und Straftätern.

Die Position wird vor allem von den unionsregierten Ländern geteilt. Er gehe davon aus, dass sich im zweiten Halbjahr der Luftverkehr intensivieren werde und Rückführungen wieder möglich seien, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Pro Asyl dagegen besteht auf der Verlängerung coronabedingter Abschiebestopps. Die Pandemie sei noch immer nicht vorbei, in manchen Ländern im globalen Süden stünde diese erst am Anfang, warnt der Verband. Die IMK dürfe „nicht auf ein schnelles business as usual bei Abschiebungen drängen“.

In Erfurt wird auch erneut über Abschiebungen nach Syrien diskutiert. Umgesetzt werden diese wegen des dortigen Bürgerkriegs seit Jahren nicht, Deutschland unterhält dort seit 2012 keine Botschaft mehr. Zuletzt wurde der Abschiebestopp nach Syrien halbjährlich verlängert. Geflüchtetenverbände fordern nun einen unbefristeten Abschiebestopp für Syrien.

Entscheidung nach Einzelfall

Die CDU-Innenminister möchten dagegen, dass zumindest die Abschiebung von Gefährdern, Intensivstraftätern oder Heimatbesuchern nach Syrien künftig wieder möglich sein soll. Bereits auf der vergangenen IMK im Dezember wurde das Bundesinnenministerium per Beschluss auch mit SPD-Stimmen gebeten, Voraussetzungen zu schaffen, um Abschiebungen solcher Personen „bei differenzierter Betrachtung im Einzelfall möglich zu machen“.

Noch aber ist es nicht so weit: Für das Treffen in Erfurt einigten sich die Innenminister nach taz-Informationen in Vorgesprächen, den Syrien-Abschiebestopp erneut um ein halbes Jahr zu verlängern. Das bekräftigte am Sonntag auch Georg Maier (SPD), Thüringens Innenminister und in diesem Jahr Vorsitzender der IMK: „Ich kann doch beim besten Willen nicht Leute dorthin abschieben, wo ein Terror­regime herrscht“, sagte er der taz.

Für Svenja Borgschulte von der Organisation Adopt a Revolution ist die Gefahr damit nicht gebannt. „Das Problem ist auch der Diskurs an sich. Es wird in den Raum gestellt, dass es sicher sei, nach Syrien abzuschieben“, sagt sie.

Streit dürfte es auf der IMK über die Aufnahme von weiteren Geflüchteten geben, die seit Monaten in überfüllten Lagern in Griechenland festsitzen. Anfang März hatten sich die EU-Innenminister nach langem Zögern geeinigt, bis zu 1.600 kranke oder unbegleitete Kinder und Jugendlicher aus den Lagern aufzunehmen, 350 davon durch Deutschland. Mitte April waren die ersten 47 Kinder hier eingetroffen. Seehofer kündigte zuletzt an, demnächst weitere 243 Kinder einzufliegen.

Länder wollen mehr Geflüchtete aufnehmen

Einige Länder aber wollen mehr. So beschloss erst zu Monatsbeginn Thüringen ein eigenes Landesaufnahmeprogramm: Bis Ende 2022 will man dort bis zu 500 Geflüchteten aus Griechenland eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis erteilen. Auch Berlin bot Seehofer zuletzt an, mindestens 70 Kinder aufzunehmen. See­hofer aber lehnt das bislang ab.

Das Ringen wird sich nun auf der IMK fortsetzen. So wollen die SPD-Innenminister dort einen Beschluss fällen, „Solidarität mit Griechenland und mit in Not geratenen Flüchtlingen, besonders Angehörigen vulnerabler Gruppen wie Minderjährigen, zu zeigen“. Und: „Die Bereitschaft einzelner Länder zur Aufnahme besonders schutzbedürftiger Personengruppen wird besonders betont.“

Diesen Satz aber wollen die Unionsminister nach taz-Informationen nicht mittragen. Auch soll die Aufnahme nach ihrem Willen konkret auf „unbegleitete Minderjährige, kranke Kinder und ihre Kernfamilien“ begrenzt werden.

Auch Seehofer mauert weiter. Die Migration sei ein europäisches Problem und müsse dort gelöst werden, betonte er zuletzt. Auch ein Sprecher betont die „klare Gesetzeslage“, wonach die Aufnahme von Geflüchteten der Bund regeln müsse. Der Berliner Innensenator Geisel (SPD) dagegen schrieb zuletzt an Seehofer, ein „mit Augenmaß initiiertes Sofortprogramm“ sei „nicht nur machbar, sondern ein klares Signal an Europa, dass die solidarische Übernahme von Verantwortung möglich“ ist.

Kritik am Bund

Thüringens grüner Migrationsminister Dirk Adams sagte der taz, auch er würde eine europäische Lösung immer vorziehen. „Aber das ist bis heute nicht geglückt – und diese Kraftprobe zwischen den EU-Staaten darf nicht auf dem Rücken der Menschen in den Lagern ausgetragen werden.“ Er wünsche sich, dass die Innenministerkonferenz das Recht der Länder unterstreicht, eigene Landesaufnahmeanordnungen wirksam zu machen.

In der gerade von Thüringen beschlossen Anordnung heißt es mit Blick auf den Bund unmissverständlich: „Die Aufnahme von wenigen hundert Flüchtlingen durch Deutschland ist völlig unzureichend.“

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