Kinorummel auf St. Pauli: Autolärm statt Anarchie

Drei Monate Autokino auf dem Heiligengeistfeld. Nicht alle Anwohner*innen sind davon begeistert.

Enige Menschen auf einem großen Platz

Abstand ist kein Problem: das Heiligengeistfeld Anfang April Foto: Rita Clasen

HAMBURG taz | Die beiden großen LED-Leinwände leuchten seit einigen Tagen, ein Animationsfilm läuft zur Probe, Handwerker*innen haben noch letzte Zäune errichtet. Wegen der Coronapandemie erlebt auch Hamburg nun eine kleine Renaissance der Autokinos: Am Cruise Center in Steinwerder laufen bereits seit Mittwoch Filme und am heutigen Samstag startet das Autokino auf dem Heiligengeistfeld.

Darüber herrscht nicht einhellige Begeisterung im Stadtteil St. Pauli: Denn das Areal hat sich in den vergangenen Wochen zur Freiluft-Anlaufstelle entwickelt. Jetzt ist der sanierte Teil der insgesamt etwa 50 Hektar wegen des Kinobetriebs abgesperrt – und der allergrößte Rest auch: Dort geht die Suche nach Weltkriegsbomben weiter.

Skaten, Drachenfliegen oder einfach ein Bier auf dem neu gepflasterten Boden trinken – natürlich mit genügend Abstand: Wenn das Wetter es zuließ, waren in den vergangenen Wochen Menschen auf dem Heiligengeistfeld unterwegs. Während es im benachbarten Park Planten un Blomen mitunter so voll war, dass Entspannung kaum möglich war, entwickelte sich hier, neben dem Millerntorstadion, ein urbaner Freiraum: Ohne Dom-Rummel und die vielen parkenden Autos holten sich Anwohner*innen ein Stück Stadt zurück.

Das Autokino soll nun für die nächsten drei Monate, bis Ende August, täglich Filme zeigen. Aber auch andere Veranstaltungen sind in Planung. Bis zu acht Vorstellungen pro Tag soll es geben und bis zu 500 Autos pro Filmabend sieht das Nutzungskonzept vor. An Wochenenden gehen die Vorstellungen bereits vormittags los, unter der Woche am späten Nachmittag. Betreiber sind die Eventagentur Bergmann und das Ottenser Zeise-Kino.

Keine größere Lärmbelästigung

Für Kulturbetriebe sind alternative Konzepte an der frischen Luft wegen der Kontaktbeschränkungen überlebenswichtig. Und die Kinos sind dringend darauf angewiesen, wieder Filme laufen zu lassen. Der Vorteil am Autokino ist, dass es zu keiner größeren Lärmbelästigung kommt, denn der Ton kommt aus dem Autoradio.

Andererseits strömen nun bis zu 500 Autos pro Vorstellung nach St. Pauli. Deshalb sind nicht alle Anwohner*innen begeistert. „Es ist einfach das komplett falsche Signal in Zeiten des Klimawandels“, sagt etwa David Schmidt, „und ein Affront nicht nur an Anwohner, sondern auch an alle, die sich für mehr Diversität in Sachen Mobilität einsetzen.“ Während andere Städte Autos aus den Innenstädten verbannen, sei es in Hamburg genau andersrum. Damit kennen sich allerdings die Anwohner*innen aus: Zu Dom-Zeiten herrscht traditionell erhöhtes Verkehrschaos entlang der Feldstraße.

Zwar hat das Heiligengeistfeld neben dem Hochbunker und dem Millerntorstadion sicher besonderen Charme, ob ein Autokino mitten in der Stadt nötig ist, ist eine andere Frage – in den USA markierten sie traditionell Stadtrand und Vorort. Gegen das Autokino in Steinwerder gibt es kaum Gegenstimmen. Gegen die Pläne auf der Bahrenfelder Trabrennbahn hatten einzig die Altonaer Bezirksgrünen Bedenken angemeldet, „weil wir es nicht richtig finden, sich zusätzlichen Verkehr in die Quartiere zu holen“, so die Fraktionsvorsitzende Gesche Boehlich im Mai zur taz.

Wie die gerade noch für den Verkehr zuständige Wirtschaftsbehörde mitteilt, wird für die Dauer des Autokinos die seit Längerem andauernde Kampfmittelsondierung unterbrochen.

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