Dominic Johnson über die Affäre um Boris Johnsons Chefberater: Ende des Burgfriedens
Das Verhältnis zwischen Mächtigen und Medien ist in Großbritannien strukturell angespannt. Anders als in manchen anderen Ländern sind bei britischen Journalisten Hofberichterstattung und Rücksichtnahme verpönt. Guter Journalismus ist gnadenlos, er bringt Dinge ans Tageslicht, die die Objekte der Berichterstattung von sich lieber im Verborgenen halten würden.
Die Chefberater des Premierministers halten die Journalistenmeute auf Abstand und füttern sie zugleich. News management“ nennt man das. Unter Boris Johnson werden die Medien allerdings nicht mehr gefüttert, sondern nur noch auf Abstand gehalten. Sein Chefberater Dominic Cummings ist kein spin doctor mehr. Er pflegt keine Freundschaften in der Presse. Für ihn sind die traditionellen Medien Teil des verachteten Establishments. Die Regierung kommuniziert lieber direkt mit dem Volk.
Nun ist Cummings selbst zur Nachricht geworden. Es geht um seine zweiwöchige Reise mit Frau und Kind zu seinen Eltern zum Höhepunkt des Lockdown, als solche Reisen verboten waren. Er selbst und seine Ehefrau waren bereits infiziert und krank. Kein Wunder, dass die Presse ihn jetzt erbarmungslos jagt und sich dabei auch unlauterer Mittel bedient.
Cummings selbst scheint das weder zu wundern noch zu stören. Der Burgfrieden zwischen Medien und Premierminister, der nach Johnsons überzeugendem Wahlsieg im Dezember einsetzte und durch die Coronakrise mitsamt Johnsons eigener schwerer Erkrankung erneuert wurde, ist dahin, und das entspricht Cummings’ Naturell. Aber gilt das auch für das Image der Regierung in der Öffentlichkeit? Und bleiben Coronabeschränkungen durchsetzbar, wenn sie von höchster Stelle so flexibel interpretiert werden, wie es Johnson im Fall Cummings tut?
Boris Johnson weiß: Wenn er Cummings fallen lässt, bloß weil die Presse ihn jagt, haben die Journalisten Blut geleckt und suchen sich das nächste Opfer. Aber solange er es nicht tut, verknüpft er seinen Ruf in der Öffentlichkeit mit dem eines Beraters, dem sein eigener Ruf völlig egal ist.
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