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friedrichstraße
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Die taz der Zukunft formen Sie

Über die Zukunft der taz wurde und wird stets viel diskutiert. Unsere neue Geschäftsführerin Aline Lüllmann unterstreicht die besondere Rolle, die unserem Publikum – also Ihnen – dabei zukommt

Aline Lüllmann führt ab Juni 2020 zusammen mit Andreas Bull und Andreas Marggraf die Geschäfte der taz Foto: Mé Chuthai

Von Aline Lüllmann

Viele Medienhäuser vermelden aktuell starke Umsatzeinbrüche – vor allem im Anzeigenbereich. So muss gespart werden, viele Kolleg:innen sind in Kurzarbeit, befristete Verträge werden vorzeitig beendet, freie Mitarbeiter:innen bekommen kaum mehr Aufträge. Die Qualität des Journalismus kann in diesen Zeiten leiden, notgedrungen. Doch das Wehklagen ist wohlfeil, denn es gab schon andere Krisen, die die klassischen Erlösmodelle von Tageszeitungen erschüttert haben. Spätestens nach der Finanzkrise vor zehn Jahren war klar, dass Journalismus in erster Linie von den Leser:innen einer Tageszeitung finanziert werden muss. Auf die Werbewirtschaft, das lernen wir als Tageszeitungsmenschen, ist in Zeiten der Krise kein Verlass.

Die taz war indes noch nie vom Anzeigengeschäft abhängig – derzeit liegt der Umsatzanteil bei knapp sieben Prozent. Der Journalismus der taz wird traditionell seit seiner Begründung Ende der siebziger Jahre durch Leser:innen und Genoss:innen finanziert – sehr bewusst und sehr solidarisch. Deshalb müssen wir auch nicht darüber nachdenken, ob wir rechercheintensive Stücke, wie zum Beispiel zu coronabegründeten Verschwörungsfantasien, online hinter eine Paywall verschwinden lassen sollten. Wir können sie frei zugänglich halten, da es Personen gibt, die freiwillig dafür ihre kleineren bis größeren Beträge entrichten. „taz zahl ich“ heißt unser Modell – und wir sind stolz, es etabliert zu haben.

Heute ist dieses Modell aus unserem Verlagskosmos nicht mehr wegzudenken: Dass sich fast 23.000 Personen an taz zahl ich beteiligen, hat starkes Gewicht. Noch vor ein paar Jahren wurde die Idee, freiwillig um journalismusförderliche Spenden zu bitten, von manchen belächelt, auch in der taz. Erst hieß es, Menschen zahlen im Internet gar nicht für Nachrichten; dann mussten es, in anderen Verlagshäusern, unbedingt Micropayment-Modelle oder Paywalls sein. Beide Ansätze stellten sich als nicht durchsetzungsfähig oder unwirtschaftlich heraus.

Klar, der Aufbau von taz zahl ich hat Zeit gebraucht, aber hinter den 23.000 regelmäßigen Beiträgen stehen jetzt ebenso viele Unterstützer:innen aus Überzeugung. Die Zahl der monatlichen Neuanmeldungen und der Zuspruch aus der taz-lesenden Community sind so hoch, dass wir auch ökonomisch keinerlei Grund haben, an unserem Bezahlmodell zu zweifeln: Es entspricht der solidarischen taz-Kultur.

Am Unternehmensszenario „2022“, entwickelt von unserem früheren Geschäftsführer Kalle Ruch, hat sich trotzdem nicht viel geändert. Unsere gedruckte Auflage geht weiter zurück, wenn auch momentan etwas langsamer.

Mediennutzung der Zukunft

So werden wir oft nach dem Zeitpunkt für den Abschied von den papiernen Werktagsausgaben gefragt. Es gibt kein festes Datum, wir berechnen immer wieder neu, wie lange wir uns das tägliche Drucken noch leisten können. Der Effekt der Pandemie könnte sogar sein, dass das etwas länger sein wird, als von Kalle Ruch prognostiziert.

Auch ich weiß nicht, wie die Mediennutzung in Zukunft aussieht, aber ich bin überzeugt, dass wir das perfekte taz-Produkt dann entwickeln, wenn wir auf die Menschen hören, die dieses Produkt nutzen. Wenn wir bei jedem Produkt den Kontext und die Nutzung selbst genau betrachten: Wie viele Menschen wollen die taz hören, wer möchte sie live sehen, was kann die perfekte App, wie sollte sich die Website auf dem Smartphone von der Desktop-Seite unterscheiden und wie entwickelt sich eine gedruckte Wochenendausgabe, wenn die tägliche taz digital erscheint?

Zuhören ist eine schöne und zugleich zeitintensive Arbeit. Und auch das macht die taz schon sehr lange richtig. Regelmäßig werden alle Kund:innengruppen befragt (siehe „Aus der taz“ vom 23. 5. 20), auf der Genossenschaftsversammlung können alle zu Wort kommen, und auch inhaltlichen Diskussionen stellt sich die taz regelmäßig. Neu ist nur, dass die Kund:innenzentrierung je taz-Produkt durch eine engagierte Person gebündelt wird. Dass es in der taz Produktentwickler:innen gibt, die unsere Angebote mit viel Input des taz-Publikums immer weiter verbessern können, stimmt mich sehr optimistisch für die Zukunft der taz. Denn „Digitale Transformation“ – so nennen wir den Prozess der Veränderungen – heißt, die taz so im Medienmarkt aufzustellen, dass sie auf die sich wandelnden Bedürfnisse ihrer Kund:innen schneller und besser eingehen kann.

Unsere Zukunft ist klar umrissen: Wir bleiben mit den Genoss:innen, Leser:innen und Unterstützer:innen in Verbindung, um tolle Produkte zu gestalten – die durch die Nutzer:innen, Sie!, selbst finanziert werden. Nur so können wir unseren Kern bewahren: relevant und unabhängig zu bleiben.

Aline Lüllmann, Jahrgang 1984, hat einen Großteil ihres Lebens mit der taz verbracht. Sie liebt das Internet und das Radreisen, lebt mit ihrem fünfjährigen Sohn in Berlin. Ab 1. 6. ist sie mit Andi Bull und Andreas Marggraf Geschäftsführerin der taz.