Fairtrade kämpft mit Coronafolgen: Weltläden kämpfen ums Überleben

Weniger Ehrenamtliche, weniger Kunden und weniger Ware: Die Fairtradebranche spürt die Pandemie. Am härtesten trifft es aber die Hersteller.

Eine Person trägt einen Stoffbeutel.

Als Stoffbeutel noch uncool waren: Nach einem Einkauf in einem Weltladen in Mainz 2009 Foto: Fredrik von Erichsen/dpa/picture alliance

PADERBORN/MAINZ taz | Fünf Wochen war der Weltladen La Bohnita in Paderborn geschlossen. Nun gibt es auf den 80 Quadratmetern wieder fair gehandelte Produkte aus Afrika, Asien und Lateinamerika zu kaufen. Aber es sei nicht wie vor dem Coronavirus, sagt Geschäftsführerin Petra Holtgreve.

Die Pandemiekrise hat auch die Fairtrade-Branche hart getroffen: die Weltläden im globalen Norden, die Lieferanten, am meisten aber die Produzenten im globalen Süden.

„30 Ehrenamtliche übernehmen bei uns die Ladendienste, aber viele gehören zur Risikogruppe“, sagt Holtgreve. Nur jeder Dritte könne oder wolle derzeit arbeiten. Die Öffnungszeiten mussten um täglich zwei Stunden verkürzt werden. Tatsächlich reiche das auch, so Holtgreve. Denn es kämen auch weniger KundInnen. Während der Schließung hatte La Bohnita einen Lieferdienst eingerichtet, der noch aufrechterhalten wird. „Neue Käufer haben wir dadurch bislang nicht gewonnen“, bedauert die Geschäftsführerin.

Wie die meisten Geschäfte musste der Paderborner Weltladen seine Miete auch während der Schließung bezahlen. Das ist gelungen, weil er 2019 deutlich vergrößert und der Jahresumsatz so auf 180.000 Euro gesteigert wurde. „Wir sind noch liquide“, sagt Holtgreve. Ob man einmalige Finanzhilfen in Anspruch nehmen will, die in Nordrhein-Westfalen auch an gemeinnützige Vereine gezahlt werden, ist noch nicht entschieden.

75 Prozent weniger Umsatz

„Die Umsätze der deutschen Weltläden sind in der zweiten Märzhälfte um mehr als 75 Prozent gesunken“, sagt Steffen Weber, Geschäftsführer des Weltladen-Dachverbandes. Er habe aber keine Hinweise, dass Weltläden vor dem Aus stehen.

Anders sieht es bei den 82 deutschen Weltläden-Lieferanten aus. Nach einer Umfrage des Weltladenverbandes sagen 24 Prozent, sie kämpften ums Überleben, 2,5 Prozent überlegen aufzugeben. 65 Prozent haben für ihre Mitarbeitenden Kurzarbeitergeld beantragt, 15 Prozent Beschäftigte entlassen.

Am härtesten trifft es aber die Hersteller von fair gehandelten Produkten, die von Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld nur träumen können: Gospel House aus Sri Lanka etwa vertreibt Holzspielzeug von 30 Handwerkern. Erst seit Kurzem ist die Produktion dort wieder erlaubt, aber Rohstoffe fehlen.

Die NGO New Sadle aus Nepal vermarktet Filz- und Baumwollprodukte, die 100 Kunsthandwerker mit Lepraerkrankung herstellen. Seit vier Wochen sind alle ProduzentInnen zu Hause, in den letzten zwei Monaten konnte New Sadle seine Mitarbeitenden nicht bezahlen. „Hinzu kommt, dass in vielen Regionen die Transportwege zusammengebrochen sind. Es ist absehbar, dass es Probleme beim Nachschub für die Weltläden geben wird“, sagt Weber.

Für kleine Hersteller oft die einzige Chance

Die 900 Weltläden machen in Deutschland nur einen kleinen Teil des Gesamtumsatzes mit fair gehandelten Produkten aus. Der Großteil des Umsatzes von 1,7 Milliarden Euro 2018 erzielten Discounter und Supermärkte. Die Weltläden setzten gerade mal 78 Millionen Euro um. Verzichtbar sind sie deswegen nicht. „Gerade kleinere Produzenten haben nur in Weltläden eine Chance“, sagt Weber. „Außerdem engagieren sich Menschen in den Weltläden auch dafür, das Wirtschaftssystem zu verändern und gerechter zu machen. Daran haben die großen Lebensmittelhändler kein Interesse.“

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