Öffentliche Kontrolle von Parlamenten: Bezirke tagen geheim

Zum Schutz vor dem Coronavirus tagen die Hamburger Bezirkspolitiker*innen in der ganzen Stadt unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Die neu gewählten Mitglieder der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte kommen zu ihrer konstituierenden Sitzung der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte zusammen.

Als Corona noch kein Thema war: Sitzung der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte im Jahr 2019 Foto: dpa

HAMBURG taz | Das Parlament tagt, doch zum Schutz vor Infektionsübertragung sind Presse und Öffentlichkeit davon ausgeschlossen. Was auf Bundes- und Landesebene undenkbar ist, findet auf Hamburgs Bezirksebene derzeit statt. Dort haben nur Politiker*innen zu den Sitzungen Zutritt. Die Linkspartei kritisiert das scharf und spricht gar von einem „weitgehenden Zusammenbruch demokratischer Transparenz“. Helfen könnte die Einrichtung von Livestreams.

„Hier geht es um die Basics von Demokratie“, sagt Stephan Jersch, bezirkspolitischer Sprecher der Linken in der Bürgerschaft. Denn ohne Öffentlichkeit sei demokratisches Gemeinwesen nicht in Einklang zu bringen. Schließlich werden politische Projekte derzeit weitergeführt, die öffentlicher Kontrolle bedürften.

Die Versammlungen der sieben Hamburger Bezirke tagen zwar nicht mehr, sie werden aber vorerst durch Sitzungen des Hauptausschusses ersetzt. Als eine Art Notparlament könnte man den Ausschuss derzeit bezeichnen, der die Erledigung von nicht aufschiebbaren Angelegenheiten übernimmt. Mit Ausnahme des Bauausschusses sind zudem alle weiteren Ausschüsse vorerst ausgesetzt. Doch bei den verbliebenen Ausschusssitzungen ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Einzig im Bezirk Wandsbek sollten die Sitzungen noch öffentlich stattfinden, so hatten es die Fraktionen gemeinsam vor knapp zwei Wochen zumindest noch beschlossen. Vorsichtsmaßnahmen, wie eine Bestuhlung mit größerem Abstand, sollten dafür geschaffen werden. Das ist nun in ganz Hamburg vom Tisch.

Stephan Jersch,Bürgerschaftsabgeordneter Die Linke

„Hier geht es um die Basics von Demokratie“

„Wir sind momentan froh, dass Sitzungen überhaupt noch stattfinden können“, sagt etwa Thomas Falke-Funk, Geschäftsstellenleiter der Altonaer Bezirksversammlung. Über einen Livestream wurde bislang in Altona noch nicht diskutiert. „Wir werden aber diese Idee nun mit den Fraktionen besprechen“, sagt Falke-Funk.

Überhaupt wirft diese Ausnahmesituation die Frage auf, ob im Sinne der Transparenz die Sitzungen nicht grundsätzlich gestreamt werden sollten. In Berlin gibt es bereits seit längerem Livestreams zu den Bezirksverordnetenversammlungen. Und auch in Hamburg wäre die Einrichtung nicht ganz neu. Im Bezirk Altona gab es das bereits vor einigen Jahren, auch in Harburg wurde 2017 darüber diskutiert. Dass es in Altona wieder beendet und in Harburg gar nicht erst eingeführt wurde, wurde mit hohen Kosten begründet.

Jersch hält das Argument nicht mehr für zeitgemäß. „Mittlerweile ist so etwas Dank der technischen Entwicklung auch mit geringen Kosten einzurichten“, sagt der Linke.

Doch bevor es soweit ist, solle nach Jerschs Wunsch die Stadt kurzfristig den Bezirken unter die Arme greifen und „ihr Know-how für die schnelle Schaffung von Livestreams zur Verfügung stellen, um die völlige Nicht-Öffentlichkeit zu beenden“. Erfahrungen damit gibt es: Auch bei den Bürgerschaftssitzungen ist der Zugang für die Öffentlichkeit und Presse untersagt. Allerdings werden die Sitzungen per Livestream auf der Homepage der Bürgerschaft übertragen und sind auch anschließend weiterhin zugänglich.

So viel Aufwand wäre für Jersch derzeit nicht nötig. „In einer derartigen Situation würde es schon reichen, wenn jemand aus der Versammlung mit seinem Handy über Facebook einen Livestream einrichtet“, sagt Jersch. Wie die für Bezirksangelegenheiten zuständige Finanzbehörde knapp mitteilt, werde „die Möglichkeit von Livestreams aktuell noch geprüft, ebenso auch datenschutzrechtliche Fragen“.

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