Corona in Belgien: Strafen statt Ermahnung

Die dank der Pandemie gebildete Notregierung will den Ausnahmezustand verschärfen. Die weitgehenden Vollmachten bereiten einigen Bauchschmerzen.

Menschen und Polizei auf einer Wiese im Park

Die belgische Polizei verhängt Geldstrafen Foto: Paul-Henri Verlooy/dpa

BRÜSSEL taz | Erst eine Notregierung, nun Sondervollmachten: Das sonst so zerstrittene Belgien reagiert überraschend schnell und geschlossen auf die Coronakrise. Premierministerin Sophie Wilmès kann sich auf alle großen Parteien aus Flandern, der Wallonie und Brüssel stützen – und will dies nun nutzen, um den Ausnahmezustand weiter zu verschärfen.

Schon jetzt gelten in Belgien striktere Regeln als in Deutschland. Das Königreich orientiert sich an Frankreich und hat schon vor zwei Wochen eine Ausgangssperre erlassen. Belgien hat auch die Grenzen zu Deutschland und den Niederlanden dichtgemacht, weil es die Einschleppung von Sars-CoV-2 etwa aus dem Kreis Heinsberg fürchtet.

Nun denkt die Notregierung, die zunächst für sechs Monate eingesetzt wurde, über weitere Restriktionen nach. Wo es bisher nur Ermahnungen an undisziplinierte Bürger gab, soll es künftig saftige Strafen setzen. Joggen und andere Freiluftaktivitäten könnten – wie in Frankreich – eingeschränkt werden. Hygiene wird zur ersten Bürgerpflicht.

Die Maßnahmen stützen sich auf ein ungewöhnliches Arrangement zwischen den Parteien. Rund zehn Monate waren die flämischen Nationalisten von der N-VA, die wallonischen Sozialisten sowie Liberale und Christdemokraten nicht in der Lage, sich auf eine Koalition zu einigen und eine Föderal-Regierung zu bilden.

Tiefe Krise

Das Ergebnis der Wahlen im Mai 2019 hatte Belgien in eine tiefe Krise gestürzt. Flandern ist weiter nach rechts gerückt, die Wallonie nach links, und die Hauptstadt Brüssel – die eine eigene Region bildet – wählte Rot-Grün. Obwohl der König immer wieder neue Politiker mit Sondierungen beauftragte, kam keine Regierung zustande.

Belgien hätte zerbrechen können. Doch die Coronakrise zwang die Parteien dann doch noch mit Gewalt zusammen. Sie sind zwar keine Koalition eingegangen, haben sich jedoch zur Zusammenarbeit im Kampf gegen Covid-19 verpflichtet. Am Donnerstag statteten sie Wilmès zudem mit Sondervollmachten aus, die ans Eingemachte gehen.

So kann die Regierung künftig im Eilverfahren Notstandsgesetze erlassen, die die Gesundheit, die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten oder Beschränkungen bei Verkehr und Transport betreffen. Auch Eingriffe in die Justiz sind möglich – etwa um kürzere Gerichtsverfahren zu ermöglichen oder Gefängnisstrafen auszusetzen.

Im Grundsatz tragen das alle Parteien mit. Nur der rechtsextreme Vlaams Belang und die linksradikale PTB wurden nicht an der Ausnahme-Gesetzgebung beteiligt. Allerdings haben vor allem Politiker der Linken und Grünen große Bauchschmerzen bei der Idee, die Liberale Wilmès mit weitgehenden Vollmachten auszustatten.

Angst vor Sozialabbau

Um die Bedenken auszuräumen, sollen Eingriffe in die Kaufkraft und Änderungen an der Sozialgesetzgebung ausdrücklich ausgeschlossen werden. Doch ob das reicht, um die Angst vor Sozialabbau und Chaos zu zerstreuen, ist unklar. Vor allem die Desorganisation im angeblich vorbildlichen Gesundheitswesen weckt Zweifel.

Zuletzt wurde bekannt, dass Belgien vor zwei Jahren mehrere Millionen Schutzmasken zerstört hat, die für Notfälle gelagert worden waren. Die Bestände wurden nicht aufgefüllt – heute herrscht akuter Mangel.

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