Die USA sind schlecht vorbereitet

Die Infiziertenzahlen in den USA steigen rasant an. Der nationale Notstand und ein vom Kongress verabschiedetes Hilfspaket sollen die Krise lindern. Sie sind unzureichend, sagen Kritiker

USA in der Coronakrise. Was nichts hilft, klappt am besten: Hamsterkäufe Foto: Ringo Chiu/dpa

Aus New York Dorothea Hahn

Donald Trump ist „negativ“. Das hat sein Coronavirustest ergeben, erklärte das Weiße Haus. Der US-Präsident hatte den Test Ende der Woche gemacht, nachdem er mehrfach auf Tuchfühlung mit Personen zusammengekommen war, die das Virus haben. Unter ihnen war ein Berater des brasilianischen Präsidenten sowie ein Teilnehmer der rechten Konferenz CPAC, bei der Ende Februar auch Trump aufgetreten ist.

Am selben Tag, an dem Trumps negatives Testergebnis bekannt wurde, schnellte landesweit die offizielle Zahl der Virusinfizierten in die Höhe. Am Freitag hatte der Präsident die Pandemie zu einem nationalen Notstand erklärt. Dadurch würden bis zu 50 Milliarden Dollar für die Regierungen der Bundesstaaten und die Kommunalverwaltungen frei, um auf die Krisensituation zu reagieren, sagte er am Freitag.

Am gleichen Tag verabschiedete das Repräsentantenhaus mit großer überparteilicher Mehrheit einen Hilfsplan Der sollte nach Angaben der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sowohl kostenlose Corona-Tests als auch zwei Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, mehr Arbeitslosengeld und eine Aufstockung von Lebensmittelhilfen für Kinder, Familien und Ältere beinhalten.

Die Verpflichtung zur Lohnfortzahlung wird aber laut New York Times nicht einmal die Hälfte der abhängig Beschäftigten erreichen, da Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten davon ausgenommen sind. Dort arbeiten aber 54 Prozent der Arbeiter*innen und Angestellten.

Dass die Gesundheitseinrichtungen in den USA auf den kommenden Andrang von Corona­pa­tien­tInnen vorbereitet sind, kann bezweifelt werden. Dem Land, das in den letzten Jahren zahlreiche Krankenhäuser und Intensivstationen geschlossen hat, fehlen Krankenhausbetten und Beatmungsgeräte. Nach Angaben der American Hospital Association hat das 320-Millionen-Ein­woh­ne­rIn­nen-Land nur insgesamt 924.107 Krankenhausbetten. Davon befinden sich 97.776 auf Intensivstationen.

Doch die meisten dieser Betten sind auch ohne Pandemie bereits belegt. Und in Jahren mit starken Grippewellen mussten die Krankenhäuser Zelte aufbauen, um überhaupt alle Patien­tInnen behandeln zu können. Jetzt befürchten die Ge­sund­heits­expertInnen, dass die Intensivstationen auf dem Höhepunkt der Coronakrise aus allen Nähten platzen werden. Es mangelt zudem dramatisch an medizinischem Personal. In New York beklagt Lisa Baum von der Krankenschwestergewerkschaft Nurses Union eine „extreme Unterbesetzung“. Solche Klagen von Ge­werkschaf­terInnen kommen auch aus anderen Teilen der USA.

Bis Sonntagfrüh testeten die USA 3.048 Personen positiv. 55 Menschen sind bis zum selben Zeitpunkt an dem Virus gestorben. Der Bundesstaat Washington an der Westküste ist mit 607 Infizierten und 40 Toten der bislang am stärksten betroffene, dicht gefolgt vom Bundesstaat New York mit 525 Infizierten und zwei Toten sowie Kalifornien mit 377 Fällen und fünf Toten. Unter den Infizierten sind unter anderem ein Pilot von American Airlines und zwei Abgeordnete der New Yorker State Assembly.

Doch während die Zahl der nachweislich Infizierten stieg, blieben die Maßnahmen zum „Social Distancing“ – zum sozialen Abgrenzen mit dem Zweck, die Geschwindigkeit neuer Infizierungen zu verlangsamen – in den USA extrem ungleich und widersprüchlich.

Landesweit schlossen zahlreiche Universitäten, Museen, Konzertsäle, Sportstadien und Schulen. Insgesamt 21.000 öffentliche Schulen mit mehr als 15 Millionen Kindern sind inzwischen geschlossen. Aber in New York City, dem mit 1,1 Millionen Kindern an öffentlichen Schulen größten Schulbezirk, blieben die Schulen weiterhin offen. Bürgermeister Bill de Blasio rechtfertigt sein Festhalten an offenen öffentlichen Schulen unter anderem damit, dass ein großer Teil der Schüler auf die Schulmahlzeiten angewiesen ist.

Er erklärte außerdem, dass sowohl Krankenhäuser und Labors und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens als auch die öffentlichen Verkehrsmittel – insbesondere die Subway – nicht mehr genügend Personal hätten, wenn die Eltern von Schulkindern zu Hause bleiben müssten, um sich um ihre Kinder zu kümmern.

Trotz Kontakten zu Bolsonaros Delegation ist Donald Trump negativ getestet

Doch immer mehr Eltern in New York City behalten ihre Kinder schon jetzt zu Hause, um sie vor Ansteckungen zu schützen. Und die LehrerInnen-Ge­werkschaft New York Teachers Union droht dem Bürgermeister mit einem Streik am Wochenanfang, falls er die Schulen nicht schließt.

„Mehr als eine Million Schüler bewegen sich täglich kreuz und quer durch die Stadt und stellen ein Risiko für sich selbst und für andere dar“, erklärte der Präsident der Teachers Union, Michael Mulgrew.

Ungleich ist auch der Umgang der einzelnen Bundesstaaten mit den Vorwahlen in Zeiten der Pandemie. Sowohl Louisiana als auch Georgia kündigten an, dass sie ihre Primaries wegen des Virus verschieben. Hingegen hielten am Wochenende Arizona, Florida und Illinois noch am Termin der Vorwahlen am Dienstag fest.

ExpertInnen gehen davon aus, dass sich in den kommenden Wochen und Monaten zwischen einem und zwei Dritteln der Bevölkerung an dem „ausländischen Virus“ – wie Trump Corona nennt – anstecken werden. Nach Schätzungen von Experten der Bundesbehörde Center for Disease Control (CDC) könnten 200.000 bis 1,7 Millionen Menschen in den USA ums Leben kommen.

Doch der US-Präsident konzentriert sich weiterhin auf ausländische Sündenböcke. Am Samstag erweiterte er sein Verbot der Einreise aus Kontinentaleuropa auch auf Großbritannien und Irland. Das Verbot gilt ab Montag.