petition der woche: Abschlussprüfungen in Viruszeiten
Anlass der Petition Abschlussprüfungen trotz Corona
Das wollen die Initiatoren Eine Durchschnittsnote aus den vergangenen vier Halbjahren
Das wollen sie nicht Dass sich die Corona-Krise negativ auf Prüfungsergebnisse auswirkt
Gemeinsam am Küchentisch, im Zimmer vor dem Laptop, Mails an den Lehrer schicken und Videochatten mit den Klassenkamerad*innen: So sieht zurzeit vielerorts der Unterricht in Deutschland aus. Denn der Weg zur Schule in öffentlichen Verkehrsmitteln, volle Klassenzimmer und Pausenhöfe bieten zu viele Gelegenheiten sich anzustecken und das Coronavirus weiterzuverbreiten.
In Hessen sitzen seit letzter Woche allerdings trotz Kontaktverbots wieder Schüler*innen in Klassenräumen, denn sie schreiben ihr Abitur. Im Laufe der kommenden Monate sollen bundesweit etwa 350.000 Gymnasiast*innen ihre Prüfungen ablegen und auch an Haupt- und Realschulen finden die Abschlussklausuren weiter statt. Dagegen wehren sich Filippa Steffens und Paul Gringel, zwei Schüler*innen aus Hamburg mit ihrer Petition „Abi2020Umdenken“. Sie fordern die Bundesregierung auf, die Klausuren abzusagen. Stattdessen sollen die Abiturnoten deutschlandweit als individueller Durchschnitt aus den Leistungen errechnet werden, die jede*r Schüler*in in den vorherigen vier Halbjahren erbracht hat. Inzwischen schließt die Petition zudem alle Abschlussprüfungen ein, denn nachdem Steffens und Gringel viele Hinweise bekamen, dass sich Haupt- und Realschüler*innen in der gleichen Situation befänden, erweiterten sie ihren Vorschlag entsprechend.
Vergangenen Dienstag sprach sich Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien (CDU) für den Vorschlag der beiden Schüler*innen aus. Die aktuelle Situation biete „besondere Herausforderungen, nicht nur für unser Schulsystem, sondern auch für jeden Einzelnen“. Nach telefonischer Absprache am Folgetag entschied sich die Kultusministerkonferenz dann jedoch dagegen – die Prüfungen sollen „zum geplanten, bzw. zu einem Nachholtermin“ stattfinden, auch in Schleswig-Holstein.
Laut Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) seien die Klausuren notwendig, damit langfristig vergleichbare Maßstäbe für alle Abiturient*innen gelten. Wenn die Schüler*innen 2020 „ohne die schweren Abschlussprüfungen mit nur 66 Prozent der geforderten Leistungen ein gleichwertiges Abitur bekommen“, sei das gegenüber vorangegangenen und Folgejahrgängen nur schwer zu erklären.
Paul Gringel und Filippa Steffens halten dagegen, dass es in der aktuellen Krise schwerer sei, sich auf die Prüfungen vorzubereiten. Dafür sorgen laut ihrer Petition auch „abgesagte Vorabi-Klausuren, chaotischer Onlineunterricht und Computer, die mit Geschwistern und Eltern geteilt werden müssen“. Mittlerweile haben sie über hunderttausend Unterschriften für ihr Anliegen gesammelt.
Neben allen Schwierigkeiten erkennen die beiden Initiator*innen in der aktuellen Krise aber auch die Chance, dass Probleme, die im Bildungsbereich schon lange bestehen, endlich in Angriff genommen werden müssen. Sie plädieren für neue, zeitgemäße Prüfungsformate. Wenn der Onlineunterricht die Digitalisierung in den Schulen vorantreibt, kann Lernen in Zukunft individueller gestaltet und kritisches Denken gefördert werden, so ihre Hoffnung. „Am liebsten würden wir als Nächstes das gesamte Schulsystem verändern“, sagen die beiden. Elin Disse
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