So oder so bitter

In der Debatte um Woody Allen gibt es keine Äquidistanz

In der Debatte um Woody Allens Autobiografie tut man gut daran, in alle Richtungen skeptisch zu sein. Ob Woody Allen sich vor bald 30 Jahren an seiner Adoptivtochter Dylan Farrow sexuell vergangen hat, wie sie behauptet, oder ob er unschuldig ist, wie er sagt, werden wir abschließend wohl nie erfahren. In der FAZ wurde dieser Gedanke zu Recht als „bitter“ bezeichnet. Damit aber nicht genug. Bekannt machen muss man sich auch noch mit einem zweiten ebenso bitteren Gedanken: Es gibt in dieser Sache nämlich noch nicht einmal einen neutralen Boden, sozusagen den sicheren Hafen der Äquidistanz. So gern man den auch hätte.

Die Formel „Im Zweifel für den Angeklagten“ jedenfalls ist es nicht. Sie gilt aus sehr guten Gründen vor Gericht, aber die Entscheidung eines Verlags, ob er ein Buch druckt oder nicht, ist kein Gerichtsverfahren; und die Unschuldsvermutung gilt sowieso für Dylan Farrow genauso wie für Woody Allen. Außerdem lässt sich die Behauptung keineswegs aufrechterhalten, dass es Zensur wäre, das Buch nicht zu drucken. Die Autobiografie würde ja keineswegs vom Staat verboten, im Rahmen der Gesetze steht es jedem Verlag frei, Bücher anzunehmen oder abzulehnen.

Aus dem Dilemma kommt Rowohlt jetzt nicht mehr heraus. Wenn der Verlag, wie AutorInnen des Verlags fordern, das Buch nicht druckt, wird das als Fallenlassen des Regisseurs gelesen werden, klar. Wenn Rowohlt es aber doch druckt, wird das als Votum gegen Dylan Farrow und ihren Bruder Ronan Farrow (dessen Weinstein-Enthüllungen kürzlich bei Rowohlt erschienen sind) verstanden. Und nicht nur das. Es wäre auch Wasser auf die Mühlen derer, die meinen, mit diesen #MeToo-Sachen solle jetzt mal wieder Schluss sein.

Wie mit der Sachlage umgehen? Im Gegensatz zum hemmungslosen Umsichschlagen – die FAZ rät inzwischen dazu, dem „Moralpöbel das Maul zu stopfen“ – wäre die Einsicht nicht schlecht, dass jede Positionierung in diesem Fall eine fragwürdige Rückseite hat. Rumgetrolle oder Empörung (die derzeit eher aufseiten der Allen-Verteidiger als der Ankläger zu sehen sind) hilft einem da nicht raus. So bitter das sein mag. (drk)