Ist
da
jemand?

Das öffentliche Leben steht weitgehend still, um die Alten und Kranken vor dem Coronavirus zu schützen. Vor vielen Pflegeheimen stehen die Besucher*innen vor verschlossenen Türen und die Bewohner*innen müssen mit der Einsamkeit klarkommen 43-45

Von Andrea Maestro
(Text) und Imke Staats (Illustrationen)

Die Einsamkeit ist für viele Menschen, die in Pflegeheimen leben, das schwierigste. Wenn es gut läuft, sind sie in ihrem Heim zwar mitten im Trubel. Jemand schiebt einen Rollator über den Flur, vielleicht spielt jemand Klavier, die Therapeutin trifft sich mit einer Gruppe zum Malen, eine Hundeschullehrerin kommt mit einem Haufen Welpen vorbei. Aber Trubel vertreibt die Einsamkeit nicht unbedingt.

Die langjährigen Freund*innen fehlen. Viele sind tot. Die Kinder müssen arbeiten, die Enkel*innen wollen lieber ihre Freund*innen treffen. Jeden Tag Besuch bekommen nur wenige Menschen, die in einem Pflegeheim leben. Aber meist ist da dieser eine Tag in der Woche, an dem Besuch kommt. Dieser eine Tag, auf den sie sich freuen. Was macht es mit älteren Menschen, mit Dementen, mit denen, die bettlägerig sind, wenn wegen Corona kein Besuch mehr erlaubt ist? Wenn die Verwandten nicht mehr rein dürfen, man aber vielleicht zu schwerhörig zum Telefonieren ist? Was macht es, nur noch mit Handschuhen berührt zu werden?

Pflegeheime haben umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um ihre Bewohner*innen vor dem Coronavirus zu schützen. Insbesondere Kinder sollen derzeit keinen Kontakt zu älteren Menschen haben, weil sie zwar selbst nicht unbedingt von schweren Krankheitsverläufen betroffen sind, das Virus aber über den Körperkontakt verbreiten können. Veranstaltungen in den Heimen sind abgesagt, die Pflegenden achten noch mehr auf Hygiene als sonst.

Die Pflegekräfte sind derzeit der Kontakt von außen, haben selbst oft Kinder und könnten das Virus verbreiten. „Wir schränken uns selbst ein“, sagt ein Altenpflege-Azubi aus Hannover der taz. „Wenn wir die Krankheit mitbringen, war es das für die Leute.“ Er treffe sich deshalb weniger mit Freunden und schon gar nicht in größeren Gruppen.

Die Sorge vor dem Coronavirus bewirkt auch, dass der Druck bei der Arbeit wächst. Wenn sich Kolleg*innen krank fühlten oder Erkältungssymptome zeigten, blieben sie sofort zu Hause. „Wer sich nicht gut fühlt, hält Abstand“, sagt der Pfleger. Die Arbeitsbelastung für die übrigen Kräfte nehme zu – und die Häuser setzten verstärkt auf Zeitarbeitskräfte. „Die sind in der Woche in mehreren Pflegeeinrichtungen unterwegs“, sagt der Pflege-Azubi. Auch dabei bestehe ein Risiko. Wohl aber ein unvermeidliches.

Denn wo sollen die Pflegekräfte, die ohnehin immer rar sind, in dieser Notsituation herkommen? Er schaffe es kaum noch, Pausen zu machen, sagt der Pfleger. Die Frage ist nun, wie lange das so gehen wird – für Pflegende und Bewohner*innen.