: Liebling, Corona hat dieWirtschaft geschrumpft
Die Europäische Zentralbank gibt Notfallpaket auf, kauft Anleihen von Griechenland und von Unternehmen. In Brüssel wird dies überwiegend positiv aufgenommen. Für 2021 werden „Aufholeffekte“ angekündigt
Von Eric Bonse und Frederik Schmidt
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat angekündigt, Anleihen in Höhe von 750 Milliarden Euro zu kaufen. Dies erhöht das Gesamtbudget für das Jahr 2020 auf 1,1 Billionen Euro. Es gibt zwei Besonderheiten bei dem neuen Notfallpaket: Erstmals werden kurzfristige Unternehmensanleihen aufgekauft, sogenannte Commercial Papers. Und griechische Staatsanleihen werden nach Jahren, in denen offiziell das Kreditrating des Landes als zu schlecht galt, wieder gekauft.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) hoffte, das Notfallprogramm würde das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte stärken, doch der DAX rutschte auch am Donnerstag wieder ins Minus. Aufgrund der Coronakrise erklärte auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, es erwarte, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2020 um 4,5 bis 8,9 Prozent schrumpfen werde. Abhängig wäre dies davon, ob sich die Situation im Mai wieder entspanne, oder ob der Lockdown bis in den August andauere. Für 2021 erwartet das Institut kräftige Aufholeffekte, die Wirtschaft könne wieder bis zu 10,9 Prozent zulegen.
Der Ökonom Rudolf Hickel sagte zum Notfallprogramm, es sei „ein klares Signal zur Bekämpfung dieser Krise“. Die EZB erkenne die „Dramatik der Lage“ und reagiere entschieden. Christine Lagardes Aussage, „außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliches Handeln“, erinnere ihn an Mario Draghis Worte im Juli 2012, als der Euro kurz vor dem Zusammenbruch stand: „Whatever it takes.“ Er halte die „bisherige Liquiditätspolitik für prinzipiell richtig“. Allerdings mahnt Hickel, dass „der Mechanismus dahinter“ entscheidend sei. Die „Überflutung der Banken mit Liquidität“ müsse jetzt durch die Übernahme von Bürgschaften und Vergabe zinsloser Kredite durch den Staat ergänzt werden. Ansonsten bliebe die Liquidität bei den Banken liegen, da diese ja gerade an notleidende Unternehmen bei hohem Risiko keine Kredite vergeben würden.
Dass jetzt auch griechische Staatsanleihen aufgekauft werden, hält Hickel für einen „sehr wichtigen Schritt“. Bisher sei das Land einer „Disziplinierungsmaßnahme“ der EU unterlegen. Er rät: „Auf die alten ideologischen Schlachten muss man jetzt verzichten.“ Das Risiko hinter griechischen Staatsanleihen sei „relativ gering“, das Verteufeln dieser sei „Quatsch“.
Der Wirtschaftsrat der CDU kritisierte, die Fortführung der „ultralockeren Geldpolitik sowie die immer stärkere Ausweitung der Anleihekaufprogramme bei gleichzeitiger Aufweichung der Risikostandards“ werde kurzfristig kaum helfen, bringe aber viele gefährliche Nebenwirkungen mit sich. Hickel erwidert, wenn die Finanzpolitik nicht aktiv gegensteuert, sei die Skepsis angebracht. Die Liquidität werde von den Banken nur durch Kredite weitergereicht, wenn der Staat über seine Kreditaufbaubank Garantien für die notleidenden Unternehmen übernimmt.
In Brüssel ist die Hilfe der EZB überwiegend positiv aufgenommen worden. „Die EZB handelt völlig richtig“, erklärte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Die Coronakrise dürfe nicht zu einer neuen Eurokrise werden. Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte und EU-Ratspräsident Charles Michel äußerten sich zustimmend.
Europa gebe „eine starke wirtschaftliche Antwort“ auf die Herausforderungen durch die Pandemie, erklärte EU-Ratspräsident Michel am Donnerstag auf Twitter. „Es werden keine Anstrengungen unterlassen, um Covid-19 einzudämmen und unsere Volkswirtschaften vor weiteren Schäden zu schützen.“
Allerdings streitet die EU hinter den Kulissen weiter über die richtige Antwort auf die drohende Krise. So fordern Macron und Conte die Ausgabe von gemeinsamen Anleihen. Die „Corona-Bonds“ sollen bei der Finanzierung von Hilfsprojekten helfen und die Solidarität zwischen den Mitgliedsländern stärken. Beim EU-Sondergipfel am Dienstag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel jedoch gegen diesen Plan ausgesprochen, der an die umstrittenen Eurobonds erinnert. Die Bundesregierung hat auch Vorbehalte gegen den Einsatz des Euro-Rettungsfonds ESM, der Italien oder anderen gebeutelten Staaten helfen könnte.
Der ESM könnte 410 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sperrt sich jedoch. Scholz sagte, eine Debatte über die Einbeziehung des ESM sei in der aktuellen Phase noch „verfrüht“. Wegen der deutschen Vorbehalte konnte sich auch die Eurogruppe nicht einigen, ein für Freitag geplantes Treffen der Finanzminister wurde vertagt.
Das Zögern der Finanzminister habe die EZB zum Eingreifen gezwungen, sagte Giegold. „Weil die Regierungen der Eurozone zu wenig gemeinsam handeln, sollte am Ende niemand die EZB verteufeln. Wer nun Lagarde zum Sündenbock macht, versteht den Ernst der Lage nicht.“ Wenn die Krise vorbei ist, brauche Europa ein großes Konjunkturprogramm im Sinne des European Green Deal.
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