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Wohin darf ich noch?

Wegen des Coronavirus werden Großveranstaltungen abgesagt. Aber nach welchen Kriterien? Und was ist mit dem Besuch von Theatern und Konzerten?

Von Bert Schulz und Susanne Messmer

Eigentlich hätte an diesem Mittwoch die Internationale Tourismusbörse (ITB) auf dem Berliner Messegelände eröffnet werden sollen. Doch die Veranstalter haben sie abgesagt. Der Grund: das Coronavirus. Oder besser: Die erhöhten Auflagen, die das zuständige Gesundheitsamt von Charlottenburg-Wilmersdorf dafür zuletzt gemacht hatte.

Jeder der voraussichtlich mehr als 100.000 Fachbesucher hätte belegen müssen, nicht aus den festgelegten Risikogebieten zu stammen oder Kontakt zu ­einer Person von dort gehabt zu haben. Diese Vorgaben konnte die Messe nicht erfüllen, wie sie Ende vergangener Woche eingestand. Jetzt wird auf der ­Webseite schon die ITB 2021 angekündigt. Termin: 10. bis 14. März.

Die Absage der Tourismusbörse gilt – je nach Sichtweise – als Blaupause oder Sündenfall für das weitere Vorgehen, nachdem seit Montag auch in Berlin erste Coronainfizierte bestätigt wurden. Am Dienstag wurde die Buchmesse in Leipzig abgesagt, am Mittwoch die Hannovermesse verschoben.

Auch der für den 8. bis 10. März im Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin anberaumte 25. Kongress Armut und Gesundheit, nach eigenen Angaben die größte regelmäßig stattfindende Public-Health-Veranstaltung in Deutschland, wird nicht stattfinden. Und auch hier erklärt der Veranstalter: „Die Auflagen der zuständigen Behörde, die für die verantwortungsbewusste Umsetzung zu erfüllen sind, können durch den Veranstalter Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V. nicht realisiert werden.“

Zuständig für die ITB, den Gesundheitskongress und auch die Hertha-Spiele im Olympiastadion ist Detlef Wagner. Entsprechend ist der CDU-Sozialstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf ein gerade viel gefragter Mensch. „Ich stehe derzeit um fünf Uhr auf und gehe nach Mitternacht ins Bett“, berichtet er.

Anders als etwa in Frankreich und der Schweiz, wo Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmern beziehungsweise 1.000 pauschal abgesagt werden, prüfen Wagner und seine Mitarbeiter jede einzelne. „Uns geht es dabei weniger um die bloße Menge an Besuchern, sondern eher um die Frage: Wer geht da hin?“, sagt er.

Und natürlich sei auch der Ort relevant. Wichtig sei etwa der Luftaustausch. Angesichts des bekannt zugigen Olympiastadions seien deswegen die dortigen Spiele bisher nicht in Gefahr.

Grundlage für die Einschätzung sind die „Allgemeinen Prinzipien der Risikoeinschätzung für Großveranstaltungen“ des Robert-Koch-Instituts (RKI), aktuell auf dem Stand von 28. Februar. Drei Faktoren sollen danach untersucht werden: die Zusammensetzung der Teilnehmer, die Art der Veranstaltung sowie deren Ort. Nehmen etwa viele ältere, nicht zentral registrierte Menschen an einer Veranstaltung teil, die lange dauert, und wird dort auch noch getanzt? Alle vier Aspekte erhöhen laut RKI tendenziell das Risiko für eine Übertragung des Virus.

Auf diese Empfehlungen verweist auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) in mehreren Beiträgen auf Twitter am Dienstagabend. Berlins Kultureinrichtungen, etwa die Theater, sollten anhand der RKI-Kriterien entscheiden, ob sie Veranstaltungen durchführen oder absagen. Lederer betont: Alle Leiter von Kultureinrichtungen „treffen auf dieser Grundlage und entsprechender Risikoabwägung selbständig ihre Entscheidungen“. Er dankte zudem im Voraus für „Kulanz bei Kartenrückgaben“.

In der Deutschen Oper, einem Haus mit oft eher älterem Publikum, sind Absagen vorerst kein Thema, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Auch an der Komischen Oper, so deren Sprecherin auf Anfrage, spiele man alle Vorstellungen „wie geplant“, die Auslastung sei „überdurchschnittlich für diese Jahreszeit“. Ein Umtausch von Karten sei generell bis drei Tage vor der Vorstellung möglich, bislang habe es aber nur einen Karteninhaber gegeben, der speziell wegen des Virus um Stornierung gebeten habe. Und selbst das internationale Theaterfestival Find an der Schaubühne mit Teilnehmern aus acht Ländern und drei Kontinenten findet Mitte März nach aktuellem Stand statt. „Wir halten uns an die Handlungsempfehlungen, besonders die Hy­giene­regeln des Senats“, berichtet Pressesprecherin Katharina Glögl. Bisher gebe es auch keine Absage von Ensembles.

„Uns geht es um die Frage, wer geht da hin“

Detlef Wagner, Sozialstadtrat

Unklarer scheint der Umgang mit dem Virus bei privaten Konzertveranstaltern zu sein. So haben sich die Veranstalter Trinity und Loft-Concerts bisher nicht zu Anfragen der taz geäußert.

Stadtrat Detlef Wagner empfiehlt den Berlinern, selbst zu beurteilen, ob sie sich in eine größere Menschenmenge begeben müssen, und appelliert an Menschen, die sich krank fühlen, dann lieber zu Hause zu bleiben. Andererseits: „Wir sind hier in Berlin. Die Menschen sind auch stolz darauf, nicht so viele Vorschriften zu bekommen.“ Und auf den öffentlichen Nahverkehr, der täglich 4 Millionen Fahrgäste befördert und der entsprechend anfällig ist für die Übertragung von Krankheits­erregern, seien viele Menschen sowieso angewiesen.

Wagner berichtet aber auch von vielen Veranstaltern, die jetzt extra auf ihn und seine Mitarbeiter zukämen und Rat suchten, ob sie ihr Konzert, ihr Treffen, ihre Jahreshauptversammlung durchführen sollten. „Da existiert eine unheimliche Verunsicherung unter den Menschen, was sie noch dürfen und was nicht.“

Immerhin in Berlins Bädern scheint derweil alles seinen geregelten Gang zu gehen. Auf die Frage, ob Sars-CoV-2 Auswirkungen auf den Betrieb hat, sagt Unternehmenssprecher Matthias Oloew: „Nein. Es ist alles wie gehabt. Die Bäder sind ohnehin darauf gepolt, dass es alles hygienisch sauber und tipptopp ist. Dafür gibt es laufende Laborprüfungen und regelmäßige Kontrollen durch das Gesundheitsamt.“

Zudem sei man im Wasser vor einer Ansteckung mit dem Virus sicher: „Das fängt das Chlor ab, im Wasser übertragen sich keine Keime und Viren“, sagt Oloew. An der Luft könne man sich dort natürlich genauso wie überall sonst anstecken, aber auf die Nachfrage habe sich das zumindest nicht ausgewirkt, sagt Oloew: „Ein Rückgang bei den Besuchszahlen ist nicht zu spüren.“

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