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Zurück an die Arbeit

Regierung und Landtag in Thüringen haben ihre reguläre Arbeit wieder aufgenommen. Von der AfD wollen sich die übrigen Fraktionen abgrenzen. Bei der Wahl zum Landtagsvize machen sie aber eine Ausnahme

Von Michael Bartsch, Dresden

Bei der Vereidigung der Minister von Bodo Ramelows rot-rot-grüner Minderheitsregierung war am Dienstagabend manches schon wieder wie vor dem Vertrauensbruch vom 5. Februar. Die Anspannung war gewichen. Beim Schlangestehen mit Blümchen für die alten und neuen Minister flogen schon wieder Scherzworte, auch von Vier-Wochen-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP). Einzig die AfD-Abgeordneten blieben sitzen, möglicherweise eine Reaktion auf die Verweigerung des Handschlags mit Fraktionschef Björn Höcke durch Bodo Ramelow nach seiner Wahl drei Stunden zuvor.

Eine Trennlinie im Erfurter Parlament ist nun deutlicher gezogen als bisher – zumindest auf dem Papier. Der knappe, nur sechs Punkte umfassende „Stabilitätsmechanismus“ zwischen Linken, SPD, Grünen und der CDU schließt „destruktive Mehrheiten“ von AfD, CDU und FDP gegen die Minderheitskoalition praktisch aus. Kompromisse zu konkreten Problemen und Vorhaben sollen „nur untereinander“ gesucht werden.

Prompt grenzte sich auch der neue CDU-Fraktionschef Mario Voigt ungewohnt deutlich von den Rechtsnationalen ab. „Die AfD hat am 5. Februar bewiesen, dass sie gewillt ist, die Demokratie mit allen möglichen Mitteln unter Beschuss zu nehmen. Für mich bedeutet das, dass wir als CDU da auch eine klare Haltung einnehmen sollten, und mit der Klarheit sollte es in den nächsten Wochen weitergehen“, sagte er nach der durch CDU-Enthaltung zustande gekommenen Wahl Ramelows.

Von dieser Abgrenzung gegenüber der AfD war auch bei der ersten Landtagssitzung mit funktionsfähiger Regierung etwas zu spüren. Bloße Motz- und Meckeranträge der AfD wie der zur Verringerung der Schulabbrecherquote wurden am Mittwoch nicht einmal in die Ausschüsse überwiesen.

Bei der Wahl zum Landtagsvizepräsidenten war allerdings der AfD-Kandidat Michael Kaufmann erfolgreich. Er erhielt 45 Ja- und 35 Nein-Stimmen, bei 9 Enthaltungen. Es haben also bei Weitem nicht nur AfD-Abgeordnete für ihn und auch nicht alle rot-rot-grünen Abgeordneten gegen ihn gestimmt.

Deutlich zu spüren war allerdings die Konzilianz zwischen den fünf demokratischen Fraktionen. So bedankte sich Bildungsminister Holter in der Debatte über die Schulpolitik nicht nur für die „konstruktive Haltung“ der CDU, sondern äußerte sogar „Hochachtung“ vor deren konsequenter Enthaltung bei der Ministerpräsidentenwahl tags zuvor.

Das Übergangsjahr bis zu den geplanten Neuwahlen im April 2021 wird zeigen, ob dieser Geist anhält. Allein die in der Stabilitätsvereinbarung genannten Vorhaben, wie der bis Dezember zu verabschiedende Landeshaushalt 2021, verlangen das. Im Sinne der angestrebten Stabilität wird an den Ministeriumszuständigkeiten nicht gerüttelt. Die Ministerinnen und Minister, die noch am 5. Februar ihre Büros blitzartig geräumt hatten, richten diese inzwischen wieder ein.

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