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Mindestlohn und Gender-Pay-GapDoppelte Wirkung

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Frauen profitieren doppelt vom Mindestlohn. Einmal über den Lohn selbst – und aus ihm resultierend auch über die bessere Qualität in der Carearbeit.

Was ist denn hier los: Gut gelaunt und als Putzfrau verkleidet durch Berlin Foto: Paul Langrock

D ie schlechte Nachricht: Der Stundenlohn von Frauen in Deutschland liegt im Schnitt immer noch deutlich unter dem von Männern – laut einer neuen Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung um 20,9 Prozent. Die kleine gute Nachricht: In den letzten Jahren ist die Lohnlücke zumindest ein bisschen kleiner geworden. Als einen der Hauptgründe dafür sehen die Autor*innen der DGB-eigenen Stiftung den Mindestlohn: Da Frauen häufiger als Männer im Niedriglohnsektor beschäftigt seien, hätten sie vom Mindestlohn auch stärker profitiert.

Die Begründung klingt schlüssig, schließlich sind Berufsgruppen mit hohem Frauenanteil tatsächlich oft schlecht bezahlt – seien es Pflegekräfte, Reinigungskräfte oder Erzieher*innen. Allgemeine Maßnahmen wie der Mindestlohn oder spezifische wie das 2019 verabschiedete neue Pflegegesetz, das die Löhne heben soll, weisen da zumindest grundsätzlich in die richtige Richtung.

Nicht nur, weil sie den betroffenen Berufsgruppen direkt mehr Geld bringen – sondern auch, weil sie indirekt die Erwerbsmöglichkeiten von Frauen verbessern: Die Auswertung der Böckler-Stiftung zeigt auch, dass Frauen weiterhin den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit übernehmen. Sie schmeißen den Haushalt, erziehen die Kinder oder pflegen die (Schwieger-)Eltern.

Bessere Löhne und somit bessere Qualität in der Pflege könnte dazu führen, dass mehr Frauen ihre Angehörigen mit gutem Gewissen in professionelle Einrichtungen geben. Mehr Geld für Erzieher*innen könnte dazu führen, dass Familien für ihre Kinder leichter Kitaplätze finden. Mehr Geld für Reinigungskräfte könnte auch diesen Job aufwerten und entstigmatisieren, sodass sich mehr Menschen trauen, Teile ihrer Hausarbeit in bezahlte Hände zu geben – zumindest, wenn sie es sich leisten können.

Vor allem Frauen könnten sich so zunehmend unbezahlter Arbeit entledigen und damit zwei Möglichkeiten gewinnen: die zu mehr Erholung durch mehr Freizeit. Oder die zu höherem Einkommen durch Wechsel von Teilzeit in Vollzeit.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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3 Kommentare

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  • "Die schlechte Nachricht: Der Stundenlohn von Frauen in Deutschland liegt im Schnitt immer noch deutlich unter dem von Männern – laut einer neuen Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung um 20,9 Prozent."

    Die gute Nachricht: Das liegt größtenteils nicht am Geschlecht, sondern an Entscheidungen, die auch anders getroffen werden können.

  • Ich finde es trotzdem schwierig, da das Hauptproblem meiner Ansicht nach der übermäßige Anteil von Frauen im Niedriglohnsektor ist. Richtig sollte es heißen "Die Lage der im Niedriglohnsektor beschäftigten Menschen bessert sich etwas mit dem ML"



    "Profitieren" ist da etwas euphemistisch ausgedrückt. Und deswegen scheint mir der Schulterklopfer hier etwas verfrüht. In einer nahezu prekären Pflegestelle hilft dir auch kein Mindestlohn für dein Kind eine Privatkita oder auch eine günstige Putzkraft zu finden. Wie wäre es stattdessen mit besseren Bedingungen für Elternzeitteilungen, besseren Elternschutz oder eine effektive finanzielle Unterstüzung für Menschen, welche ihre Angehörigen selbst pflegen (wollen)?

  • Ich finde es aber auch wichtig, dass auch Care-Arbeit in der Familie für Kinder und pflegebedürftige Angehörige sozial und finanziell mehr Anerkennung erfährt, unabhängig davon, ob diese von Männern oder Frauen geleistet wird.