Pläne für Zwischennutzung: Interessenten gibt's mehr als genug

In einem Haus auf dem ehemaligen Stasi-Gelände an der Frankfurter Allee will eine Initiative soziale und kulturelle Projekte ansiedeln.

Luftballons und Transparante einer Hausfassade: Zu den Tu-Mal-Wat-Aktionstagen war die Frankfurter Allee 178 schon mal besetzt

Zu den Tu-Mal-Wat-Aktionstagen war die Frankfurter Allee 178 schon mal besetzt Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Der jahrelange Leerstand ist dem Haus an der Frankfurter Alle 187 deutlich anzusehen: Putz bröckelt von den grauen Wänden, durch die Fenster ist das völlig entkernte Gebäudeinnere zu erkennen. Trotzdem ist Aktivist Ilja Goosen optimistisch, als er am Montag nach einer Begehung des Gebäudes den Innenenhof betritt. „Das ist alles machbar.“ Größere Sorgen bereitet ihm hingegen, dass der ­Eigentümer nicht verhandeln will.

Im Erdgeschoss des Gebäudes möchte ein Zusammenschluss von Aktivist*innen, Vereinen und Kollektiven, für die Goosen spricht, gerne ein Zentrum errichten. Bereits im vergangenen September wurde das Haus im Rahmen der Tu-Mal-Wat-Aktionstage besetzt. Die Aktivist*innen wollten damit auf den Mangel von Räumen für nicht kommerzielle soziale und kulturelle Projekte aufmerksam machen. „Sonst tut sich da nichts“, erklärt Goosen.

Das seit fast zehn Jahren leer stehende Gebäude war früher Teil der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Noch gehört es dem Land Berlin, verwaltet wird es dementsprechend durch das landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM).

Die Aktivist*innen stimmten damals dem Angebot zu, dass Gebäude zu verlassen. Dafür wurde seitens der BIM auf Anzeigen verzichtet und Verhandlungen über eine mögliche Nutzung zugesagt.

Die Stasi- Zentrale in Lichtenberg war ein aus 29 Häusern bestehender, abgeschotteter Gebäudekomplex zwischen Frankfurter Allee, Magdalenen- und Normannenstraße. Von hier aus koordinierte das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit die Überwachung der DDR-Bürger*innen. Am 15. Januar 1990 stürmten Demonstrant*innen den abgeschotteten Komplex und konnten so die Stasi-Unterlagen vor ihrer Vernichtung bewahren.

Campus der Demokratie Seit 2012 gibt es Überlegungen, die ehemalige Stasi-Zentrale zu einem Erinnerungsort auszubauen, der für „die Werte der Demokratie wirbt“. Derzeit gibt es schon ein Museum, ein Besucherzentrum und ein Archiv mit der Hälfte der Stasi-Unterlagen. Viele Gebäude sind derzeit noch ungenutzt, deshalb sollen weitere Angebote folgen, neben dem Archivzentrum ein „Forum Opposition und Widerstand“. (jowa)

Campus der Demokratie

Das Land plant, das ehemalige Stasi-Gelände zu einem Campus der Demokratie auszubauen. Allerdings kommen die Planungen nur schleppend voran. Bis konkrete Bauarbeiten beginnen, würde es sicher noch einige Jahre dauern, vermuteten die Aktivist*innen. Tatsächlich stellte die BIM in den folgenden Verhandlungsrunden eine Zwischennutzung in Aussicht.

Die Aktivist*innen konkretisierten daraufhin ihre Pläne in mehreren Kiezversammlungen, gründeten einen Verein und holten sich weitere Mitstreiter*innen ins Boot. An Interessent*innen für die Räumlichkeiten mangelt es nicht: Unter anderem meldete die Berliner Obdachlosenhilfe Bedarf an, ebenso verschiedenste soziale und künstlerische Kollektive, die anderswo angesichts der steigenden Mietpreise keine Räumlichkeiten finden. „Wenn du Marktmieten zahlst, kannst du so ein Projekt nicht machen“, erklärt Gordon Grunwald, der eine Siebdruckwerkstatt im Zentrum aufbauen will.

Laut dem Nutzungskonzept der Aktivist*innen sollen neben Werkstätten auch Unterkünfte, Ateliers und ein Theaterraum hier Platz finden. Aufgrund von Statik und Brandschutzproblemen soll zunächst nur das Erdgeschoss bezogen werden.

Die Sanierung würde die Aktivist*innen vor großer Herausforderungen stellen. Zwar wurde das Gebäude von Asbest befreit und ist völlig entkernt. Aber es fehlen elementare Dinge wie Sanitäranschlüsse. Ansonsten seien die Räume aber nutzbar, so Goosen. Die Aktivist*innen rechnen mit einer sechsstelligen Summe, die sie nach und nach aufbringen wollen.

Ping-Pong-Spiel um Zuständigkeit

Doch das größte Problem liegt in Augen der Aktivist*innen woanders: Die BIM verweigere weitere Verhandlungen, klagten sie in einer Pressemitteilung von Anfang dieser Woche. Der Grund ist, dass das Land derzeit über einen Verkauf des Gebäudes an den Bund verhandelt. Die BIM verweist daher auf die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) als zukünftigen Verhandlungspartner. Die wiederum möchte an keinen Verhandlungen teilnehmen, solange der Verkauf noch nicht abgeschlossen ist.

„Wir haben das Gefühl, ins Leere gesetzt zu werden“, schildert Goosen die Situation. Hinter dem Ping-Pong-Spiel um die Zuständigkeit mutmaßt er eine Hinhaltetaktik: „Die wollen uns loswerden.“

Hintergrund für den Verkauf ist ein Archiv für Stasi-Unterlagen, dass die zuständige Bundesbehörde auf dem Gelände errichten möchte. Dazu müsste das bestehende Gebäude abgerissen werden. Während der Begehung am Montag teilte eine BIM-Mitarbeiterin den Aktivist*innen mit, dass eine Abrissgenehmigung erst vor Kurzem von Bezirksamt Lichtenberg erteilt wurde.

Fraglich ist daher, ob eine Zwischennutzung von den verantwortlichen Stellen überhaupt noch in Erwägung gezogen wird, Auf taz-Anfrage teilte die BimA mit, dass derzeit geprüft würde, „inwieweit eine zeitlich befristete Zwischennutzung möglich ist“.

Neue Räume gesucht

Derweil haben die Aktivist*innen eigene Vorstellungen davon, der Geschichtsträchtigkeit des Ortes gerecht zu werden. Beteiligt ist unter anderem die „Kirche von Unten“ (KvU), ein Sozialprojekt, das sich derzeit in Pankow in einem unsicheren Mietverhältnis befindet und daher nach neuen Räumen sucht. Die KvU entstand 1987 als evangelische oppositionelle Gruppe in der DDR. „Es wäre absolut großartig, da zu sein“, findet KvU-Mitglied Jochen Beck. So könne der Geist der Oppositionsbewegung aufrecht erhalten werden. „Was würde besser zu einem Campus der Demokratie passen, als ein basisdemokratisch organisiertes Zentrum?“, fügt Beck hinzu.

Die bisherigen Planungen, inklusive Archiv, kritisieren die Aktivist*innen in ihrer Pressemitteilung als „überdimensioniert und am Bedarf der Bevölkerung vorbei“.

Wie genau diese Planungen für das ehemalige Stasi-Gelände aussehen, ist allerdings noch unklar. Diese sollen demnächst in Beteiligungsprozessen mit der Öffentlichkeit konkretisiert werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilte auf taz-Anfrage mit, dass der Standort „durch weitere verwandte Nutzungen aus den Bereichen Kultur, Bildung und Gewerbe angereichert werden soll“.

Die Hoffnung für ein neues soziales Zentrum in Lichtenberg scheint also noch nicht ganz verloren. „Wir würden uns auch mit einem anderen Gebäude zufrieden geben“, so Goosen.

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