Sammlung italienischer Fotografinnen: Staubsaugen und Subversion

Terrorbräute, Mafia, Dolce Vita, Riten und Religion: Alles zu sehen in der Ausstellung „Resistance & Sensibility“ im Fotografie Forum Frankfurt.

Eine Frau hält einer anderen Frau die Augen zu

Ausschnitt aus: Anna di Prospero, Self Portrait with My Mother, 2011 ​ Foto: Fotografie Forum Frankfurt

Über den phallischen Symbolgehalt des Lippenstifts ist schon viel gesagt worden. Aber wie steht es eigentlich um den Staubsauger? Auf dessen vermeintlich besondere Beziehung zur Hausfrau hat ja dereinst zum Beispiel Loriot in seinen vermeintlich von biederem Humor getragenen, aber wohl gerade deshalb auch das unangenehm Anzügliche mitdenkenden Sketchen verwiesen (wobei man weiß, dass auto­erotische Unfallstatistiken doch vielmehr, wenn überhaupt, auf ein besonderes Verhältnis männlicher Protagonisten zum Reinigungsgerät schließen lassen).

Fröhlich bis indifferent posieren nun die Hausfrauen für die Fotografin Liliana Barchiesi in ihrem Refugium, wie es ja so schön heißt, und dabei darf jedenfalls der Staubsauger nicht fehlen. Eine Frau mit blondem Bob präsentiert strahlend-stolz ihr Haushaltsgerät, das sie wie der Jäger sein Gewehr in den Händen hält.

Eine andere Frau schaut eher freundlich schüchtern in die ­Kamera, während sie den Sauger über den Teppichboden führt, währenddessen es sich ein junger Mann auf dem Sessel vor der David-Bowie-Posterwand lesend gemütlich gemacht hat.

Auf einem anderen Bild derselben Serie fällt das Wohninterieur ins Auge: Die Mutter saugt im weißen Kleid Staub, der kleine Junge sitzt derweil auf dem Sofa, über ihm die Zeichnung eines jungen weiblichen, vermutlich schwangeren Akts. Und hinter einer Zimmerpflanze versteckt blickt der Christus vom Porträt auf die Szenerie. Ein Sittenbild für das Italien der ausklingenden 1970er Jahre? Wäre in jedem Fall keine schlechte Alternative zu „Azzuro“ und Co. „Le casalinghe“, die Hausfrauen, lautet programmatisch die Fotoserie, bei der man nie ganz sicher sein darf, wo Dokumentation endet und wo Inszenierung beginnt.

Ausschließlich Künstlerinnen

Barchiesis Fotografien zählen zur insgesamt rund 250 Kunstwerke fassenden Collezione Donata Pizzi. Erst seit etwa sechs Jahren stellt Pizzi, die selbst fotografiert und zudem als Bildredakteurin arbeitet, Arbeiten ausschließlich italienischer Fotografinnen zusammen und skizziert so eine eigene Art der jüngeren Geschichtsschreibung jenes Landes, in dem sie lebt und arbeitet. In der Schau „Resistance & Sensibility“ im Fotografie Forum Frankfurt ist ein guter Teil hiervon erstmalig außerhalb Italiens zu sehen.

Bis 26. April. Fotografie Forum Frankfurt. Kein Katalog

In den hier gezeigten Fotografien werden bekannte Sujets mal karikiert und mal dokumentiert. In der Ausstellung stehen feministische Fotokünstlerinnen neben solchen, die vornehmlich als Fotojournalistinnen arbeiten und anderen, die sich seit den 80er, 90er Jahren eher formalen denn politischen Fragestellungen widmen.

Das ist halt auch das Schöne an so einer Sammlung: Sie muss sich vor nichts und niemandem rechtfertigen. Keine unschönen Wörter wie Frauenquote sind da zu bemühen für die subjektive Wahl, eben auch einmal ausschließlich Künstlerinnen zu sammeln und dann an einem Ort wie an diesem auszustellen.

Das Unheimliche und der Volksglaube

Fotografieren Frauen nun anders als ihre männlichen Kollegen? Die Ausstellung verwehrt sich dankenswerter Weise einem Fazit. Aber das, was die ausgestellten Fotografinnen zeigen und wie sie es tun, das hat selbstverständlich mit sozialen und individuellen Realitäten zu tun, die sich aus dem Frausein heraus ergaben und ergeben. Dass viele von ihnen bisher kaum einem größerem Publikum bekannt sind, ebenfalls. Es geht, ganz simpel und doch nicht banal, um Sichtbarmachung.

Und zu sehen gibt es in dieser fünf Jahrzehnte Fotografie umfassenden Schau eine ganze Menge: Terrorbräute, Mafia, italienisches Dolce Vita. Riten und Religion, die in Italien so stark mit dem Unheimlichen und dem Volksglauben verknüpft scheinen, wie in Marialba Russos rätselhaft eingefangenem Ritual eines nackten Jungen, der durch die Luft gehoben wird.

Immer wieder wird man in dieser Ausstellung auf das eigene Italien-Bild gestoßen, das sich hartnäckig festsetzt wie wenige andere – denn natürlich hat die Italia-Sehnsucht vieler Menschen auch mit dem Bild einer homogenen Gesellschaft zu tun, in der selbst bitterste Armut noch schwer romantisch anzumuten vermag.

150 Arbeiten von 64 Künstlerinnen hat Kuratorin Celina Lunsford für den Rundgang ausgewählt und dabei neben Italien-Sujets naheliegend auch jenes der Repräsentation von Geschlechterbildern herausgearbeitet. Fast immer in einer Haltung, die mit der im Ausstellungstitel proklamierten Sensibilität schon sehr gut erfasst wäre: Wie in den Farbporträts jener Männer, die ab 1965 in Frauenkleidung auf Hotelbetten für die Kamera von Lisetta Carmi posieren. Das gleichnamige Buch, in dem die Fotografin 1972 ihre fotografischen Begegnungen auf Augenhöhe veröffentlichte, kam kurz darauf auf den Index.

Komplexe Beziehung zur eigenen Mutter

In anderen Beispielen verquicken sich Fotografinnen-Biografie und Arbeit aufs Schönste: Tomaso Binga lautet so der Name jener Künstlerin, die 1970 ihren Geburtsnamen Bianca ­Pucciarelli in subversiver Strategie gegen einen männlichen eintauschte und, man kann es nur vermuten, womöglich auch deshalb mehr Erfolg auf dem Markt genießt.

Dass Frauenbilder bis heute auch die höchst komplexe Beziehung zur eigenen Mutter prägen und vice versa, davon scheint Anna di Prospero in ihrem „Self Portrait with My Mother“, das man optisch wie seine Protagonistinnen problemlos auch im Italien der 60er, 70er Jahre verorten könnte, zu erzählen: Jene Dame hält der jungen Fotografin, durchaus nicht böswillig ausschauend, hinter ihr stehend die Augen zu.

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