piwik no script img

Grüne im Hamburger WahlkampfAngst vor der eigenen Courage

Mit Blick auf das Amt der Bürgermeisterin ist die grüne Spitzenkandidatin Katharina Fegebank drauf und dran, die eigene Klientel zu verprellen.

Straftat oder Ordnungswidrigkeit? Vermummung, hier beim G20-Gipfel in Hamburg Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Mit der Aussicht, bei der Bürgerschaftswahl womöglich die SPD zu überholen, haben grüne Senatsmitglieder mal eben eine Bastion geschliffen. Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank­ und Justizsenator Till Steffen rückten von der Forderung ab, Vermummung bei Demonstrationen künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit statt als Straftat einzustufen.

Im grünen Wahlprogramm wird diese Forderung als Konsequenz aus den Ereignissen beim G20-Gipfel in Hamburg erhoben. Damals hatte die Polizei die zunächst friedliche Demonstration „Welcome to Hell“ aufgelöst, weil sich Teilnehmer weigerten, ihr Gesicht zu zeigen. Demonstranten wehrten sich gegen das Vordringen der Polizei. Es kam zu einer Straßenschlacht mit vielen Verletzten, die die Atmosphäre der folgenden­ Gipfeltage vergiftete. Die Polizeiführung rechtfertigte ihr Vorgehen damit, dass sie die Vermummung als Straftat habe unterbinden müssen.

Vermummung nicht als Straftatbestand zu werten, ist eine gängige Forderung der Grünen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat sie unter grüner Regierungsbeteiligung in der vorigen Legislaturperiode umgesetzt. Schwarz-Rot in Niedersachsen hat sie kassiert, sobald die Grünen aus der Regierung geflogen waren.

Fegebank war beim ersten Rededuell mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ins Schwitzen gekommen. Der hatte es als „sehr merkwürdig“ bezeichnet, wenn man sage: „Die Polizeibeamten sollen gekennzeichnet werden und Demonstranten dürfen sich vermummen.“

Die Senatoren rückten davon ab, Vermummung nur noch als Ordnungswidrigkeit einzustufen

Fegebank räumte ein, dass die Forderung „auf den ersten Blick oder beim ersten Hören verstörend“ wirke, diese aber mit dem größeren Spielraum der Polizei für ein deeskalierendes Handeln verteidigt. Daraufhin postete Tschentschers Büroleiter Daniel Stricker den Hashtag #grünistgewaltbereit, der allerdings rasch gelöscht wurde.

Erstaunlich ist, dass Fegebank nicht einfiel, dass eine Vermummung ja auch als Ordnungswidrigkeit nicht erlaubt ist, aber ein Einschreiten nicht erzwingt. Stattdessen opferte sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung das grüne Wahlprogramm: Sie streite für Zukunftsthemen wie „eine echte Verkehrswende, eine mutigere Wirtschaftspolitik und mehr Bürgerrechte“, sagte Fegebank. „Die Frage, ob das Vermummungsverbot künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden soll, gehört nicht zu diesen Themen.“

Nach einer repräsentativen Wahlumfrage im Auftrag des NDR finden 39 Prozent der Hamburger, Verkehr und Mobilität sei das wichtigste Problem. Es folgt der Wohnungsmarkt mit 33 Prozent. Sicherheit landet weit abgeschlagen bei sechs Prozent. Daraus hätten Fegebank­ und Steffen folgern können, dass sie bei diesem unwichtigen Thema schadlos die eigene Klientel zufriedenstellen können.

Allerdings hat Rot-Grün vor 20 Jahren schon mal Wahlen wegen des Themas Innere Sicherheit verloren. Jedenfalls beschwichtigte auch Justizsenator Steffen. „Aus den Reihen der Hamburger Polizei hören wir nun aber, dass sie auch so schon jeden Bewegungsspielraum hat, den sie braucht, um deeskalierend aufzutreten“, sagte er der Welt am Sonntag. „Wir wollen über diese Frage mit der Polizei in einen Dialog­ treten. Wenn sich das so bestätigt, brauchen wir die Gesetzesänderung nicht.“

Auf die Frage, ob sie sich nach wie vor zum Eingreifen gezwungen sehe, wenn sich Demonstrationsteilnehmer vermummten, weil das eine zu unterbindende Straftat sei, antwortete die Polizei, an ihrer Argumentation habe sich nichts geändert. „Die Vermummung innerhalb einer Versammlung ist aus gutem Grund eine Straftat“, teilte die Polizeipressestelle mit.

Die Gewerkschaft der Polizei versicherte, „dass man in Hamburg mit offenem Gesicht für seine Meinung eintreten kann“ und legte eine Anregung drauf: Auch der von den Grünen geforderte unabhängige Polizeibeauftragte sei unnötig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Damals hatte die Polizei die zunächst friedliche Demonstration „Welcome to Hell“ aufgelöst, weil sich Teilnehmer weigerten, ihr Gesicht zu zeigen."

    Die Vermummung war zwar, was Herr Grote im Anschluss händeringend und geradezu um Verständnis flehend als Grund für die Eskalation nannte. Aber ob die Demonstration wirklich sehr viel weiter gekommen wäre, wenn ganz brav alle (auch die bis heute ungeklärt eingesetzten Zivilbeamt*Innen) ihre Sonnenbrillen abgenommen hätten ...?

  • "Erstaunlich ist, dass Fegebank nicht einfiel"

    Und das ist genau das Problem der Grünen - grüne Politik ist was viele Leute wollen, und weil viele Politiker der anderen Parteien dabe nicht gut aussehen ist es für viele Grüne zu einfach, und man merkt erst zu spät wer auch gut ist wenn der Weg schwieriger wird...

  • "Die eigene Klientel" der Grünen sind in Hamburg doch schon lange nicht mehr Rotfloristen und Co, sondern die Pöseldorfer Schickeria, die sich mittels des Votums für die Grünen den Ablass für ihre SUVs und Flugreisen erkauft. Das hat Fegebank nach der letzten Bundestagswahl doch selbst ganz explizit so getweetet. Jedenfalls dürfte der Widerstand gegen das Vermummungsverbot für die Klientel der hamburgischen Grünen nicht die geringste Rolle spielen.