Porträt von Musikerin Lafawndah: Ritualisierte Clubmusik

Mit der Zuschreibung Global Pop kann die Künstlerin Lafawndah wenig anfangen. Dennoch durchbricht ihr futuristischer R & B-Sound kulturelle Grenzen.

Die Musikerin Lafawndah mit hochstehender Turmfrisur mit roten Haaren in rötlichem Licht

Schon viel rumgekommen: Lafawndah Foto: Mathilde Agius

Kindheit in Teheran, Studium an der Pariser Sorbonne, Drummerin in einer mexikanischen Punk-Band, Stopps in New York und Los Angeles. In London sesshaft geworden ist Yasmine Dubois nur, weil ihr Reisepass zu viele Visastempel hatte, wie sie sagt. Angesichts ihrer Umtriebigkeit fällt es schwer, die musikalischen „Wurzeln“ der Künstlerin zu fassen, die unter dem Namen Lafawndah gerade die Pop-Welt aufmischt.

R & B angereichert mit tanzbaren Dancehall-Beats, hypnotisierendem Sirenengesang und industrialartigen Synthesizerklängen. Was ist das überhaupt? Globalisierte Popmusik nennen das die Kri­ti­ke­r:in­nen und vergleichen die Künstlerin mit M.I.A., Kelela und FKA-Twigs. Lafawndah tut sich schwer mit solchen Schubladen und nennt ihre Werke lieber ritualisierte Clubmusik. Und damit hat sie recht: Sie ist mal treibend, mal sedierend, aber immer experimentell und elektronisch.

Kein Wunder also, dass nach ihrer ersten vom karibischen Zouk inspirierten EP „Lafawndah“ prompt das britische Electronica-Label Warp bei ihr anklopfte, um eine zweite EP mit ihr zu produzieren. Mit ihren ersten Veröffentlichungen geht Lafawndah heute hart ins Gericht. „Körperlos“ nannte sie die in einem Interview mit dem FACT-Magazine selbstkritisch. Ein hartes Urteil! Wer aber ihr Debütalbum „Ancestor Boy“ hört, versteht, wie das gemeint ist. Sie definiert sich selbst als herkunfts- und zeitlos, und so möchte sie auch klingen.

Der Knoten platzte, als sie das japanische Kollektiv Geinoh Yamashirogumi entdeckte, das unter anderem dem dystopischen Kult-Anime „Akira“ seinen Soundtrack gestiftet hat. Die Künstlergruppe besteht aus über 100 Mitgliedern verschiedenster sozialer Schichten und Lebenswelten. Ärz­t:in­nen, In­ge­nieu­r:in­nen und Hand­wer­ke­r:in­nen arbeiten mit einem musikethnologischen Ansatz: Sie suchen auf der ganzen Welt nach traditioneller Musik und Instrumenten, um diese dann in ihrem eigenen Kontext zu reinterpretieren.

Lafawndah untersucht biblische Motive

Lafawndah: "Ancestor Boy" (Concordia/!K7/Indigo)

Live: 23.1. "Xara Beach" Berlin und 25.1. "Grießmühle" Berlin im Rahmen des Festivals CTM

https://www.ctm-festival.de/festival-2020/welcome/

Dieser Einfluss verhalf Lafawndah auf „Ancestor Boy“ zu ihrer eigenen Stimme. Darin erweitert sie den französisch-maghrebinischen Avantgarde-Pop-Klassiker „Vous et nous“ um zentralasiatischen Kehlkopfgesang und mischt japanische Trommelrythmen unter Lieder mit orientalistischen Melodien und synthetischen Klängen.

In ihren Texten untersucht Lafawndah biblische Motive („Joseph“) und philippinische Stammesgeschichte („Ancestor Boy“) und findet nebenbei noch Zeit, Begriffe wie Herkunft zu dis­ku­tie­ren: „I don’t know where to put myself / Should I go hide in the corner? / Should I leave? I’m not sure how to behave“, singt sie in einem Track über Exotisierung mit dem bezeichnenden Titel „Uniform“.

Diese Experimentierfreudigkeit zeigt sich auch in ihren in Eigenregie realisierten Videos. Die sind weit mehr als nur schmückendes Beiwerk zu ihren Singleauskopplungen. Sie gleichen eher Kurzfilmen oder Theaterstücken und erzählen eigene Geschichten, die für sich selbst stehen.

Bei Konzerten löst sie Grenzen künstlerischer Ausdrucksformen auf. Die Single „Le Renard Bleu“, die zusammen mit der Perkussionistin Midori Takada entstanden ist, inszenierte sie kurzerhand als eineinhalbstündige spirituelle Performance inklusive japanischer Mönchsversammlung und indonesischem Tanz.

Lafawndah nur auf ihre Musik zu reduzieren, wird ihr also nicht gerecht. Sie ist vielmehr eine Universalkünstlerin, in deren Werken die Ausdrucksformen verschiedener Kulturen gleichermaßen Platz finden.

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