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BND-Gesetz steht in Karlsruhe auf der Kippe

Vor dem Bundesverfassungsgericht wurde über das BND-Gesetz verhandelt. Vor allem Journalist*innen sehen sich gefährdet

Erst einmal wurde die Massen-überwachung legalisiert

Von André Zuschlag

Das Urteil könnte eine deutliche Schlappe für die Bundesregierung werden: Vor dem Bundesverfassungsgericht wurde diese Woche über die Rechtmäßigkeit des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BND) verhandelt. Mehrere Menschen und Organisationen aus dem journalistischen und zivilgesellschaftlichen Bereich hatten geklagt, weil sie Verstöße gegen das Grundgesetzes sehen.

Der Bundestag hatte 2016 der Reform des BND-Gesetzes zugestimmt. Es regelt Organisation, Aufgaben und Befugnisse des deutschen Auslandsnachrichtendienstes. Seit 2017 ist es in Kraft. Durch die Reform erhielt der Nachrichtendienst deutlich mehr Kompetenzen. Nicht nur die Bundestagsopposition, auch viele Nichtregierungsorganisationen, Jurist*innen und Journalist*innenenverbände hatten die Novelle vehement kritisiert.

Ein wesentlicher Auslöser für die BND-Reform war die NSA-Affäre, mit der die Ausspähung europäischer Konzerne und Beamter durch den deutschen Dienst im Auftrag des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA bekannt wurde. Künftig darf der BND die Kommunikation von Einrichtungen der Europäischen Union (EU), von EU-Staaten sowie einzelner EU-Bürger*innen nur noch in bestimmten Fällen überwachen, etwa bei Verdacht auf Terrorismus, Waffenschmuggel, Schleusung oder wenn besondere Relevanz für die Sicherheit Deutschlands besteht.

Doch statt wie versprochen die massenhafte Überwachung zu unterbinden, habe die Bundesregierung das einfach legalisiert: „Das Grundproblem ist, dass Massenüberwachung einfach in Gesetzesform gegossen wurde“, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“.

Umstritten sind mehrere Punkte der Reform. Das neue Gesetz erlaubt dem Geheimdienst nun die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung: Als Teil der strategischen Fernmeldeüberwachung darf der BND Internetknotenpunkte in Deutschland anzapfen, um E-Mails und Telefonate zwischen Ausländer*innen im Ausland auszuforschen. Dies war es, was der BND schon vorher machte: Der Untersuchungsausschuss des Bundestags zu NSA-Affäre brachte zutage, dass aber bei der Überwachung von Ausländer*innen im Ausland höchstwahrscheinlich auch deutsche Staatsbürger*innen ausgespäht worden sind. Gegen diese Praxis liegt nun die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe vor. Geklagt haben neben Reporter ohne Grenzen noch mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen. Ebenfalls klagen investigative Journalist*innen, etwa die Trägerin des alternativen Nobelpreises, Khadija Ismajilowa aus Aserbaidschan, und der mexikanische Journalist Raul Olmos, der Teil eines Teams war, das die Paradise Papers ausgewertet hat.

Dass es besonders Journalist*innen sind, die gegen das BND-Gesetz klagen, hat mehrere Gründe. Denn ganz konkret hat das BND-Gesetz Folgen für transnationale journalistische Recherchen. Sie brachten in den vergangenen Jahren mehrere Skandale zutage wie etwa die Panama Papers. Durch das BND-Gesetz sehen Journalist*innen diese Recherchen für die Zukunft gefährdet. „Dadurch entsteht eine Unsicherheit bei Journalist*innen, weil man nie wissen kann, ob man überwacht wird“, sagt Mihr. Zum Einen könnte der BND Journalist*innen aus Nicht-EU-Staaten problemlos überwachen. „Dabei gelten Grundrechte für Deutsche wie für Nicht-Deutsche“, sagt Mihr.

Hinzu kommt: Wenn die Kommunikation von Journalist*innen aus Nicht-EU-Staaten überwacht wird, könnten damit auch deutsche Journalist*innen überwacht werden. Dies zeigen internationale Rechercheverbünde. Weil die transnationale Zusammenarbeit auch im journalistischen Bereich ausgebaut wurde, kann sich der BND dies zunutze machen. „Das Redaktionsgeheimnis in Deutschland ist somit nichts mehr wert“, sagt Mihr. Überwacht der BND die Kommunikation eines Journalisten aus einem Nicht-EU-Staat, der mit einem deutschen Kollegen zusammenarbeitet, wird Letzterer auch überwacht. „Das ist technisch nicht auflösbar“, sagt Mihr.

Darüber hinaus ist aus Sicht der Kritiker*innen relevant, dass der BND auch mit Geheimdiensten anderer Staaten kooperiert. „Wir wissen aber nicht, was dort ausgetauscht wird“, sagt Mihr. Das herauszufinden, sei nahezu unmöglich. Auch, weil über den Rechtsweg die eigene Betroffenheit nachgewiesen werden müsse.

Zudem soll eigentlich mehr Kontrolle der Schnüffler*innen stattfinden: Bisher gab es drei Gremien, die die Arbeit überwachten. Nun kommt ein viertes hinzu. Dieses wird allerdings von der Bundesregierung ernannt, sodass die Unabhängigkeit zumindest infrage gestellt werden kann. Hinzu kam auch die Kritik, dass es damit weiterhin keine Kontrollinstanz gebe, die ein vollständiges Bild über die Aktivitäten des BND hat. Effektive Kontrolle sei so unmöglich.

Allerdings stehen die Chancen für die Kläger*innen nicht schlecht: Allein die mündliche Verhandlung zeigt, dass die Entscheidung des Gerichts grundsätzliche Bedeutung hat. Denn nur über einen Bruchteil der in Karlsruhe anhängigen Klagen werden mündlich verhandelt.

Der schleswig-holsteinische Grünen-Politiker Konstantin von Notz nannte das Gesetz seinerzeit verfassungswidrig. Die Regierung werde damit vor Gericht scheitern, prognostizierte er. Mit einem Urteil wird erst im Laufe des Jahres gerechnet.