Fridays lehnen ab

Kohlemine in Australien: Neubauer will nicht in Siemens-Aufsichtsrat

Von Kai Schöneberg

Der Siemens-Konzern hat mit einer Offerte die AfD auf die Palme gebracht: „Hier hat jemand einen ganzen Konzern lächerlich gemacht!“, schimpfte Roland Hartwig, parlamentarischer Geschäftsführer der Rechten im Bundestag, per Twitter. Mit dem „jemand“ meinte er Luisa Neubauer. Sie ist 23 Jahre alt und das Gesicht der Klima­protestierenden in Deutschland. Am Samstag hatte sie das Angebot von Siemens-Chef Joe Kaeser abgelehnt, in den Aufsichtsrat von Siemens Energy einzuziehen. Siemens will seine Kraftwerks- und Energiesparte mit 88.000 Mitarbeitern und 27 Milliarden Euro Jahresumsatz demnächst an die Börse bringen. „Mit dem Posten wäre ich den Interessen des Unternehmens verpflichtet und könnte Siemens dann nicht mehr unabhängig kommentieren“, sagte hingegen Neubauer. Sie wolle lieber „die Welt retten“. Der Job sei nicht mit ihrer „Rolle als Klimaaktivistin zu vereinbaren“.

Grund für die ungewöhnliche Offerte des Siemens-Bosses: Der Streit um die Lieferung einer Zugsignalanlage für eine Kohlemine in Australien, über die Siemens an diesem Montag endgültig entscheiden will. Die indische Adani Group plant, unweit des Barrier Reef eines der größten Kohlebergwerke der Welt zu errichten. Hier sollen in fünf Untertageminen und sechs Tagebaustätten bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr gefördert werden. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2018 gut 165 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut. Das Projekt wird von Umweltschützern seit Jahren bekämpft. Wegen der offenbar durch den Klimawandel verstärkten Buschbrände in Australien war die Adani-Mine zuletzt immer stärker in die Kritik geraten.

Am Freitag hatte Kaeser bei einem Treffen mit einer Fridays-Delegation gesagt, die Stornierung der Lieferung für die Mine sei nicht einfach, die Interessen von Aktionären, Kunden und der Gesellschaft eben unterschiedlich. Zwar geht es nur um einen Auftrag in Höhe von knapp 20 Millionen Euro, Peanuts für Siemens mit einem Jahresumsatz von 87 Milliarden Euro. Aber: Der DAX-Konzern will in der Region nicht als unzuverlässiger Partner dastehen – und den Vertrag aus dem vergangenen Sommer auflösen.

Das sehen die KlimaaktivistInnen anders: Siemens habe die Macht, den Bau zu stoppen, zu verzögern oder zumindest zu unterbrechen, schrieb Klimaktivistin Greta Thunberg auf Twitter. Für das Adani-Projekt habe Siemens eine Schlüsselrolle, sagte auch Neubauer. Zwei Firmen, die für den Auftrag infrage kämen, hätten bereits abgesagt. „Unabhängig davon liegt es an Siemens zu beweisen, dass sie ihr Klimaschutzengagement ernst meinen“, betonte sie. Der Konzern will bis 2030 klimaneutral produzieren. Gleichzeitig schlug Neubauer vor, das Job-Angebot „an Scientists for Future weiterzugeben“. Hier sind Forscher organisiert, die die Jugendlichen von Fridays for Future unterstützen. Siemens ließ am Sonntag offen, ob man dem folgen wolle.

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