: Poller statt Strafen
Seit zweieinhalb Jahren ist ein Teilstück der Knochenhauerstraße Fußgängerzone und seit zweieinhalb Jahren wird sie von AutofahrerInnen ignoriert – trotz Beschilderung und großem Piktogramm. Jetzt soll die Durchfahrt mit Pollern versperrt werden
Von Simone Schnase
23. Dezember 2019: Die Stadt ist verstopft mit Menschen, die auf den letzten Drücker noch Weihnachtseinkäufe machen wollen. Autolawinen bewegen sich in Zeitlupe durch die Straßen auf dem Weg in die Parkhäuser – so auch auf der Carl-Ronning-Straße, die ins Parkhaus Mitte führt. Das wird allerdings bloß von jedem zweiten PKW tatsächlich angesteuert: Der Rest setzt den Blinker und fährt nach rechts in die Knochenhauerstraße – mitten rein in die Fußgängerzone. Das soll nun ein Ende haben: Zwei Poller werden ab kommender Woche die Durchfahrt unmöglich machen.
Dass es verboten und eine Gefahr für Leib und Leben anderer ist, mit dem PKW in eine Fußgängerzone zu fahren, lehrt nicht nur jede Fahrschule, das weiß auch jedes Kind. Und neben Schildern an der Einfahrt zur Knochenhauerstraße weist auch ein großes blau-weißes Fußgängerzonen-Piktogramm mitten auf der Straße deutlich die Fußgängerzone aus.
Bereits seit Mai 2017 ist hier Fußgängerzone – da kann wohl niemand mehr so tun, als sei hier „urplötzlich“ die Einfahrt verboten. Nein: Hier ignorieren AutofahrerInnen seit zweieinhalb Jahren im großen Stil geltendes Recht. Und offenbar wird dieses Recht, anders als bei RadfahrerInnen, nicht konsequent durchgesetzt: „Niemand kontrolliert hier die Autos, die können einfach durchfahren“, sagt eine ansässige Einzelhändlerin.
Dass so viele PKW in die verbotene Zone führen, sei nicht der Weihnachtszeit geschuldet, sondern der Normalfall: „Ich weiß gar nicht, wie oft wir uns schon darüber beschwert haben – und eigentlich soll hier ja schon lange ein Poller hin, damit die Autos gar nicht erst durchkommen.“
Für Jens Tittmann, Sprecher der grünen Verkehrssenatorin Maike Schaefer, ist das Gebaren der AutofahrerInnen, von denen die meisten laut KFZ-Kennzeichen aus Bremen kämen, „ein Skandal“. Eigentlich wolle man „ungern auch noch Poller installieren, wo es bereits Schilder und das größte Piktogramm Bremens gibt“, sagt Tittmann. Es habe Polizeikontrollen gegeben, „aber dabei sind häufig keine Bußgelder erhoben, sondern lediglich Ermahnungen ausgesprochen worden“. Man habe nach der Einrichtung der Fußgängerzone damit gerechnet, dass die Straße ungefähr drei Monate lang noch versehentlich befahren würde, „aber nach so einer langen Zeit kann von versehentlich nun wirklich keine Rede mehr sein“.
Ob ungern oder nicht: Ein Poller ist dennoch geplant, und zwar schon lange. Bereits im September 2018 hat das Verkehrsressort konkrete Pläne hierfür genannt. Im Rahmen eines Drei-Punkte-Plans sollte ein versenkbarer Poller – versenkbar deswegen, damit der Lieferverkehr Einfahrt hat – installiert werden, der Radweg in die Straßenmitte verlegt und die Betonpoller auf beiden Seiten der Fahrbahn außerhalb der Einmündungsbereiche Carl-Ronning-Straße und Kleine Hundestraße abgerissen werden. Geschehen ist von alledem bis heute nichts.
„Zum einen wurde schnell klar, dass es zwei Poller braucht, nicht bloß einen, was die bereits veranschlagten Kosten in die Höhe getrieben hat“, so Tittmanns Begründung. „Und zum anderen dauert so ein Planungsverfahren samt Trägerbeteiligung, Befassung in der Deputation und Baugenehmigung immer sehr lange.“
Jens Tittmann, Sprecher von Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne)
Aber in der nächsten Woche soll es endlich so weit sein. In einer Vereinbarung zwischen dem Einzelhändlerverband „Cityinitiative Bremen“ und dem Amt für Straßen und Verkehr vom 20. November heißt es: „Baubeginn zur Umsetzung der Maßnahme ‚Polleranlage Knochenhauerstraße‘ soll, in Abhängigkeit der Witterung, der 13. 01. 2020 sein. Fertigstellung der Maßnahme wird auf den 25. 01. 2020 terminiert.“
Damit wäre Ruhe in der Knochenhauerstraße. Bloß: Kann es, auch angesichts der rot-grün-roten Pläne für eine autofreie Innenstadt, tatsächlich die Lösung sei, überall „PKW-Hindernisse“ wie eben beispielsweise Poller zu installieren?
Auf Nachfrage, wie hoch die Kontrolldichte in der Knochenhauerstraße ist, verweist die Innenbehörde auf die Polizei. Die wiederum hat eine taz-Anfrage vom vergangenen Freitag nach Art und Häufigkeit der polizeilichen Kontrollen und nach der Höhe der verhängten Bußgelder trotz wiederholter Nachfragen bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen.
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