Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts: Auslieferungen verhindert

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden: Zwei Tschetschenen dürfen nicht nach Russland ausgeliefert werden, entschied das höchste deutsche Gericht.

Ein roter Richterhut liegt auf einem Tisch, im Hintergrund sieht man Richter in roten Roben

Blick auf die Richterbank des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Foto: Uli Deck/dpa/picture alliance

KARLSRUHE taz/epd | Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung zweier russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft nach Russland verhindert. Das höchste deutsche Gericht begründete dies am Mittwoch in Karlsruhe mit der Gefahr, dass sie in der russischen Teilrepublik Tschetschenien politische Verfolgung drohe oder sie einem Mindeststandards nicht genügenden Strafverfahren ausgesetzt sein würden.

Damit waren die zwei Männer, die von Russland über Interpol ausgeschrieben wurden, mit ihren Verfassungsbeschwerden erfolgreich. Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hatte zuvor ihre Auslieferung noch bejaht. Jetzt muss es neu entscheiden.

Das Bundesverfassungsgericht verwies darauf, dass zwar nicht nur innerhalb der EU, sondern auch im allgemeinen völkerrechtlichen Auslieferungsverkehr der Vertrauensgrundsatz gelte, dass in den Zielstaaten das Völkerrecht eingehalten werde. Wenn es jedoch tatsächliche Anhaltspunkte gebe, dass der Grundrechtsschutz oder verbindliche völkerrechtliche Mindeststandards nicht eingehalten würden, dürfe nicht ausgeliefert werden. Das zuständige Gericht müsse eine eigene Gefahrenprognose anstellen, auch wenn dies arbeits- und zeitaufwendig sei. Das sei aber nicht geschehen.

Das OLG gehe selbst davon aus, dass in der autonomen russischen Republik politische Verfolgung drohe und völkerrechtliche Mindeststandards nicht gegeben seien. Deshalb habe es die Auslieferung daran gebunden, dass die anhängigen Strafverfahren nicht in Tschetschenien durchgeführt werden dürften. Eine solche einseitige Festlegung reiche jedoch nicht aus, befand das Bundesverfassungsgericht. Es brauche dafür eine belastbare Zusicherung auch des Zielstaates – und die gebe es nicht.

Über Interpol zur Verhaftung ausgeschrieben

Für nicht nachvollziehbar halten die Verfassungsrichter, worauf das OLG sein Vertrauen gründet, dass die Russische Föderation den örtlichen Gerichtsstand verlagern werde, „obwohl sie bereits förmlich bekundet hat, sie könne das von der deutschen Seite gewünschte Ergebnis aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht sicherstellen“.

Vor diesem Hintergrund sei „nicht ersichtlich, weshalb das Oberlandesgericht davon ausgeht, dass im Falle des Beschwerdeführers die in der deutschen Verbalnote einseitig aufgestellte Erwartung mit ‚an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit‘ von der russischen Seite erfüllt werden wird“.

Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte spräche dagegen, in einer einseitigen Bedingung unter den gegebenen Umständen eine hinreichende Sicherung zu sehen.

Die zwei Tschetschenen wurden jeweils durch die Russische Föderation über Interpol zur Verhaftung ausgeschrieben. Den Ausschreibungen lagen Haftbefehle eines Bezirksgerichts in Tschetschenien zugrunde, in denen ihnen ein Raubdelikt beziehungsweise ein Drogendelikt zur Last gelegt werden.

(AZ: 2 BvR 517/19 und BvR 828/19)

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