Gelassene Rückschau

Theater ist ihr doch wichtiger als die Filme. Und sie singt gern. Die Schauspielerin Angela Winkler hat mit „Mein blaues Zimmer“ gerade ein Buch mit ihren autobiografischen Skizzen vorgelegt, am Sonntag liest sie daraus in der Akademie der Künste

Die Schauspielerin Angela Winkler an der Weidendammer Brücke an der Spree Foto: Patrick Sinkel/ddp images

Von Katja Kollmann

Das Theater nehme ich so ernst wie mein Leben. Meine Rollen im Theater habe ich mir nie gesucht, sie sind zu mir gekommen. Und immer zu einer Zeit, in der sie mit meinem Leben zu tun hatten. Die Entscheidung, Theater zu spielen, fällt mir nie leicht. Mir ist Theater zu wichtig, und vielleicht bin ich gar keine richtige Schauspielerin.“ Das schreibt Angela Winkler in ihrem gerade erschienenen Buch „Mein blaues Zimmer“. Auf der Fotografie daneben ist sie zu sehen – am Meer. Ihre Körpersprache drückt Gelassenheit und Freude aus. Wenige Seiten später erzählt sie von ihrer Depression: „Ich war siebzig geworden. Nele war ausgezogen. Klaus Michael Grüber war tot. Die Angebote, die ich für Theater und Film bekam, gefielen mir nicht. Ich sagte ab. Ich war nicht ich.“

Zusammen mit der Autorin Brigitte Landes sichtete die in Berlin und in Frankreich lebende Schauspielerin ihre Tagebuchaufzeichnungen und bettete sie ein in einen Text, den sie „Autobiographische Skizzen“ nennt. Es ist eine unprätentiöse Rückschau auf ein Leben zwischen zwei Polen: das Familienleben mit ihrem Ehemann Wigand und den Kindern, darunter der Tochter Nele, auf dem Land und ihrer Kunst.

Beim Lesen ist es, als würde sie erzählen – jetzt. Schreibt die Schauspielerin über ihre Erfahrungen mit Regisseuren wie dem eben 2008 verstorbenen Klaus Michael Grüber und Peter Zadek, erinnert man sich lesend zusammen mit ihr. Ich habe Angela Winkler vor Augen 1999 in der Schaubühne als Hamlet in Zadeks epochaler Inszenierung: Allein steht sie an der Rampe – zart und verwundbar – und spricht die zum Aphorismus gewordenen Zeilen „Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage“ so tastend und suchend, dass man im Zuschauerraum die wunderbare Chance bekommt, diese Worte neu zu hören.

In ihrem Buch erinnert sich Angela Winkler lakonisch an ihre Ausbruchsversuche während der Probenzeit in Straßburg – es war ihre Kapitulation vor der Textmasse. Im September 1999 schreibt sie in ihr Tagebuch: „Gestern habe ich eine Stunde lang Politik im Radio gehört und an Hamlet gedacht. Hab ihn an die Hand genommen und bin mit ihm ins Theater gegangen. Da stand er als einsames Menschenkind, das nach Liebe lechzt auf der Bühne, oder als verzweifeltes Tier, das an der langen Kette zerrt und reißt. Das viele Reden von Hamlet macht mit jetzt keine Angst mehr.“

Die Schauspielerin Angela Winkler, Jahrgang 1944, hat gerade in diesem Jahr den Deutschen Schauspielpreis für ihre Leistung im Theater erhalten, im Kino feierte sie in den 70ern große Erfolge mit Filmen wie „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ und „Die Blechtrommel“, im Fernsehen war sie in den letzten Jahren in mehreren Krimireihen zu sehen.

Das Buch Am Sonntagmorgen liest Angela Winkler um 11.30 Uhr in der Akademie der Künste im Hanseatenweg aus ihrem gerade erschienenen Buch „Mein blaues Zimmer“, und sie wird dabei auch einige ihrer Lieblingslieder singen.

Angela Winkler springt in ihren Aufzeichnungen durch die Zeit. Mittendrin, auf Seite 45, gibt es auch ein kleines Kapitel über ihre Kindheit. Sie nennt es: „In Templin bin ich geboren“ und erinnert sich dann an viele Umzüge in der Kindheit, bis der Vater in Erlangen eine feste Anstellung als Amtsarzt bekam. Entwaffnend ist das Foto der vierjährigen Angela aus dem Jahr 1948. Keck steht sie auf den Treppen vor einem Haus, hat die Hände in die Taschen ihres Mantels gesteckt und schaut selbstbewusst, leicht lächelnd in die Kamera.

Initialzündung für ihre Karriere als Schauspielerin war übrigens ein Kinobesuch. „Plötzlich im letzten Sommer – Liz Taylor und Montgomery Clift. Was für Schauspieler! Großaufnahmen! Ich konnte die Gefühle sehen, die Tränen, die riesig über Liz Taylors Wangen liefen. Ich wusste plötzlich, das wollte ich! Ich bin die ganze Nacht nicht nach Hause gegangen. Ich wollte Schauspielerin werden!“

„Nach jedem Kind habe ich einen Film gedreht“ heißt dann später ein Kapitel, und am Anfang des Buchs fällt der Satz: „Ich nehme Filme nicht so ernst wie das Theater.“ Und „Das Leben ist mir einfach wichtiger. Das ist mein Theater.“

„Singen ist für mich so, als wäre ich irgendwo auf dem Land und würde Wäsche aufhängen“

So beschreibt sie auf einem Großteil der 230 Seiten ihr Familienleben. Und das ist spannend, da diese Familie im Laufe der Jahre unterschiedliche Gegenden Europas besiedelt und vier Kinder geboren werden. Nele hat das Downsyndrom. Angela Winkler resümiert: „Als Mutter wird man unbeweglich und unfrei in seinen Handlungen. Davor habe ich mich immer in Acht genommen, dass ich meine Art, spontane Entschlüsse zu treffen, nicht verliere.“

Am Sonntag wird Angela Winkler in der Akademie der Künste aus ihrem Buch vorlesen, flankiert von einem Gespräch mit dem Dramaturgen Herrmann Beil sowie Brigitte Landes und einiger ihrer Lieblingslieder, die sie, begleitet von dem Pianisten Adam Benzwi, vortragen wird. Ihren ersten Liederabend hat sie übrigens 1988 im Pariser Theatre de l’Odeon gegeben.

„Singen ist für mich so, als wäre ich irgendwo auf dem Land und würde Wäsche aufhängen. Beim Singen ist mein ganzes Landleben dabei.“ Ziemlich ideal als Synthese aus Leben und Kunst.