: Alternative zu Kältebahnhöfen
Die BVG will ihre Bahnhöfe im Winter nicht mehr für Obdachlose öffnen. Ein „Übernacht-Cafée“ soll’s lösen
Von Stefan Hunglinger
„Wir haben uns sehr geärgert, dass die Kältebahnhöfe jetzt zu sind“, erklärte Pfarrer Peter Storck am Donnerstagmittag bei einem Besuch der Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) in der Gitschiner Straße 15, der Wohnungslosentagesstätte der Heilig-Kreuz-Gemeinde Kreuzberg. „Mit so einer kleinen Einrichtung wie der unseren können wir das Problem nicht stemmen“, so Storck.
Senatorin Breitenbach war gekommen, um das neue, aus Senatsmitteln finanzierte „Übernacht-Café“ zu besuchen, das die „Sozialgenossenschaft Karuna“ seit 15. November zusätzlich in den kirchlichen Räumen betreibt. Das niedrigschwellige Angebot wurde als eine Alternative zu den Kältebahnhöfen angekündigt, denn erstmals seit zwanzig Jahren will die BVG nachts keine ihrer U-Bahn-Stationen mehr für vom Erfrieren bedrohte Wohnungslose offen lassen.
Schon im letzten Jahr hatten die Verkehrsbetriebe eine Schließung aus Sicherheitsgründen angekündigt, waren von der Senatorin aber an ihre soziale Verantwortung als Landesbetrieb gemahnt worden und hielten schließlich zwei Bahnhöfe bis März offen. In diesem Winter bleiben alle Stationen im Einvernehmen mit Breitenbach zu.
Stattdessen setzt die Senatorin jetzt auf die Erkenntnisse der ersten Berliner Obdachlosenzählung im Januar und eine gesamtstädtische Strategie im Umgang mit den wachsenden Wohnungslosenzahlen: „Ich erwarte von den Bezirken, dass sie besser zusammenarbeiten. Wohnungslosigkeit fällt eigentlich in ihre Zuständigkeit.“
Das neue „Übernacht-Café“ mache ein Angebot für Wohnungslose, die nicht in andere Notübernachtungen gehen möchten, erklärte Jörg Richert, Geschäftsführer von Karuna, am Donnerstag. Grund dafür sei oft, dass Hunde nicht mit eingelassen würden und Alkohol nicht konsumiert werden dürfe. Von 22 Uhr bis 6 Uhr sei das Angebot in der Gitschiner Straße 15 jetzt offen, es gebe auch einen separaten Raum für Frauen, so Richert.
Kathrin Bierwirth, die Sprecherin der BVG, erklärte die Entscheidung ihres Unternehmens beim Besuch der Gitschiner 15 zunächst auch damit, dass die Zahl der in Bahnhöfen Übernachtenden drastisch gestiegen sei, bis zu 40 Personen seien es zuletzt in einzelnen U-Bahn-Stationen gewesen. Auf Nachfrage musste Bierwierth eingestehen, dass die 30 Plätze, die das „Übernacht-Café“ jetzt bietet, dafür kein wirkliches Ersatzangebot sind. Um soziale Verantwortung als Landesbetrieb zu demonstrieren, verwies Bierwirth darauf, dass die BVG Aushänge in fünf Sprachen angebracht hätte, die in den U-Bahnhöfen auf Angebote der Kältehilfe verwiesen.
„Unsere Sicherheitsleute sind zwar geschult im Umgang mit Wohnungslosen, sind aber keine Sozialarbeiter“, erklärte Ingo Tederahn, der BVG-Sicherheitschef, gegenüber der taz. „Wir rufen da den Kältebus oder gegebenenfalls die Polizei oder den Rettungswagen“, so Tederahn.
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