: Peru: Sieg für den Fujimorismo
Beinharte Interessenpolitik für die eigene Tasche: Kaum jemand symbolisiert den Verlust des Vertrauens der Peruaner in die Politik besser als Keiko Fujimori. Nun ist sie aus der U-Haft entlassen worden – ein „Rückschritt im Kampf gegen Korruption“, finden viele
Von Knut Henkel
Verblichen sind die Wandmalereien mit dem Konterfei von Keiko Fujimori und dem Logo ihrer Partei Fuerza Popular. Nur ein paar Steinwürfe entfernt vom Abgeordnetenbüro von Marco Arana – auf der Rückseite des Parlaments in der peruanischen Hauptstadt Lima – prangen sie an der Avenida Abancay. Für Arana, der bei den anstehenden Kongresswahlen für die linke Frente Amplio antritt, ist es „inakzeptabel“, dass Fujimori aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. „Diese Entscheidung ist ein Rückschritt im Kampf gegen die Korruption“, sagt der 56-Jährige. „Die korrupten Strukturen existieren und die Verflechtung mit der Politik ist gerade im Fall von Keiko Fujimori und der Fuerza Popular hinreichend belegt.“
Für Arana ist die Entscheidung der Verfassungsrichter vom Freitag ein völlig falsches Signal mitten im Wahlkampf vor der Abstimmung im Januar. „Die muss schließlich nur deshalb stattfinden, weil die Abgeordneten der Fuerza Popular und anderer Parteien sämtliche Initiativen der Regierung gegen Korruption blockierten“, ärgert er sich. Ende September hatte Präsident Martín Vizcarra die Notbremse gezogen und den Kongress aufgelöst, um mit einer Neuwahl dafür zu sorgen, dass Peru wieder regierungsfähig wird. Das hat für Freudentänze und Pro-Vizcarra-Demonstrationen gesorgt, erzählt Ana María Vidal Carrasco, Generalsekretärin einer landesweiten Dachorganisation von Menschenrechtsorganisationen.
„Der Präsident hat historische Zustimmungswerte gerade weil er gegen die korrupten Strukturen vorgeht“, so die Juristin. „Die Entscheidung der Richter ist ein Rückschritt, gerade weil alle wissen, dass zumindest eine Richterin unter Druck gesetzt wurde.“
Marinella Ledesma heißt die Richterin, die schon Ende September im Interview mit der kritischen Wochenzeitung Hildebrandt en sus trece geklagt hatte, dass Druck auf sie ausgeübt worden sei, um die ursprünglich für 36 Monate angeordnete Untersuchungshaft für Fujimori zu verringern. Die Haftstrafe hatte Staatsanwalt José Domingo Pérez wegen Fluchtgefahr und der Tragweite der Anschuldigungen gegen Fujimori beantragt.
Ana María Vidal Carrasco, Menschenrechtlerin
Der Tochter des autoritär regierenden Ex-Präsidenten Alberto Fujimori (1990–2000) wird vorgeworfen, 1,2 Millionen US-Dollar gewaschen zu haben, die sie für ihren Wahlkampf 2011 von dem brasilianischen Baukonzern Odebrecht erhalten hat. Dafür sollte sie dem Baukonzern im Anschluss an einen Wahlsieg Bauaufträge zuschanzen.
Doch das ist noch nicht alles: Richter Richard Concepción Carhuancho, der die Untersuchungshaft im November 2018 angeordnet hatte, sieht Hinweise darauf, dass Fujimori eine kriminelle Organisation geleitet habe. Deren Einfluss erstreckt sich laut Ana María Vidal Carrasco bis weit in die Justiz, wie Tonbandmitschnitte belegten, die das investigative Medien-Portal IDL Reporteros veröffentlichte. „Das hat die Tragweite der Korruption in Politik und Justiz erst ans Licht gebracht“, sagt sie, „nur stehen wir noch ganz am Anfang der nötigen Reformen im Justizbereich. Die Ernennung von Richtern ist intransparent.“
Richter, die auf der Liste des „Fujimorismo“ stehen, gibt es überall in den hohen Gerichten. Die Entscheidung der Verfassungsrichter ist Teil eines größeren Phänomens. Die Freilassung Fujimoris, die sich bei ihrem ersten Auftritt am Samstag in Lima als Opfer der Justiz darstellte, empfinden viele genau deshalb als so gravierend. Sie belege, so der linke Kandidat Marco Arana, dass die Justiz alles andere als unabhängig ist. Der politischen Erneuerung, mit der Präsident Martín Vizcarra begonnen hat, hätten die Richter einen Bärendienst erwiesen.
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