Das war auch noch: Die Erde bebt wieder
Erst knallte es, grollte und dann wackelte die Erde gleich zwei Mal binnen weniger Stunden. Die Beben im niedersächsischen Landkreis Verden waren am Mittwochabend deutlich spürbar. Anwohner*innen berichteten von erzitternden Flaschen im Schrank, knackenden Fenstern und Türen oder einem wackelnden Globus im Regal. Ein Anwohner meldete einen Riss in seiner Hauswand. Ein anderer schilderte, es habe sich angefühlt, als ob ein Zug durchs Haus fahre.
Das stärkere Beben hatte nach Angaben des Niedersächsischen Erdbebendienstes beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Hannover eine Stärke von 3,2 auf der Richterskala. Zum Vergleich: Ein starkes Beben hat Werte um 6,0. Alle Erschütterungen hatten ihr Epizentrum südlich von Kirchlinteln am südöstlichen Rand des Erdgasfeldes Völkersen.
„Der Zusammenhang mit Erdgasförderung ist sehr wahrscheinlich“, sagte ein LBEG-Sprecher. Davon geht auch das Unternehmen Wintershall DEA aus, das dort Erdgas fördert. Denn der Landkreis Verden, überhaupt ganz Niedersachsen, ist keine typische Erdbebenregion – oder besser: war ohne Erdgasförderung kein typisches Erdbebengebiet. Aber bei der Förderung entstehen im Untergrund immer wieder Spannungen. Wenn sich diese an Schwächezonen impulsartig abbauen, kann es zu Beben an der Oberfläche kommen.
Insgesamt 21 seismische Ereignisse wurden bisher laut LBEG im Gebiet um das Erdgasfeld Völkersen registriert. Das vor Mittwoch stärkste Erdbeben hatte hier am 22. April 2016 eine Stärke von 3,1. Zuletzt wackelte am 11. Dezember 2017 der Erdboden.
Nach den aktuellen Beben werden die Rufe nach einem sofortigen Stopp der umstrittenen Förderung wieder lauter. Entsprechende Beschlüsse hätten die Räte der Gemeinden und der Kreistag bereits vor Jahren getroffen, sagte der Langwedeler Bürgermeister Andreas Brandt (SPD) dem NDR.
Die Niederlande sind da schon weiter. Sie wollen bereits 2022 aus der Erdgasförderung aussteigen. Und in Großbritannien hat die Regierung unter Premierminister Boris Johnson wegen der Gefahr von Erdstößen die fördervorbereitenden Erkundungen von Erdgasvorkommen in Nordwestengland ausgesetzt.
Die Grünen im niedersächsischen Landtag forderten die Regierung auf, aus der Erdgasförderung auszusteigen, um Anwohner*innen und Umwelt zu schützen. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) kündigte an, dass das LBEG die Anwohner*innen in der Region vor Ort über die aktuellen Erdbeben informieren wird. Wann und wo steht nicht fest. Ilka Kreutzträger
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