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Die Siedler und ihre Freunde

Der US-Schritt, Israels Siedlungspolitik nicht mehr als illegal zu betrachten, stößt weltweit auf Kritik. Hinter der Entscheidung stehen Trumps Nahost-Hardliner

Alles was das Licht berührt: Premierminister Benjamin Netanjahu mit der Führung der Siedlungsbehörden in der im Jahr 1970 gegründeten Siedlung Allon Schewut zwischen Bethlehem und Hebron Foto: Menahem Kahana/ap

Von Jannis Hagmann

Kaum hatte US-Außenminister Mike Pompeo den Schritt verkündet, bedankte sich sein Botschafter in Israel begeistert: Präsident Donald Trump und Pompeo hätten „wichtige Arbeit“ geleistet, die „den Friedensprozess voranbringen“ werde, twitterte David Friedman an seine Kollegen in Wash­ington. Auch Israels Premier Benjamin Netanjahu dankte der US-Regierung. Eine „historische Fehlentscheidung“ sei endlich korrigiert worden.

Was Pompeo zuvor verkündet hatte, wäre vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Die US-Regierung, erklärt er, sehe im israelischen Siedlungsbau im palästinensischen Westjordanland keinen Verstoß gegen das Völkerrecht. Der Siedlungsbau sei „nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht“.

Unter Palästinensern wie auch in Europa sorgte der Schritt für Kopfschütteln und Entsetzen. Die Palästinenserführung in Ramallah warf Israel vor, mit den Siedlungen palästinensisches Land zu stehlen und die Bewegungsfreiheit der Palästinenser einzuschränken. Die USA trügen „die volle Verantwortung für jegliche Auswirkungen dieses gefährlichen Schritts“. Auch Ägypten und Jordanien, die einzigen arabischen Länder, die mit Israel Frieden geschlossen haben, verurteilten die Entscheidung scharf. Amnesty International teilte mit: „Die US-Regierung hat der Welt angekündigt, dass die USA und Israel über dem Recht stehen.“

Die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, stellte klar, dass Brüssel dem Schritt der USA nicht folgen werde. „Die Position der Europäischen Union zur israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten ist klar und bleibt unverändert: Alle Siedlungsaktivitäten sind nach dem Völkerrecht illegal und unterhöhlen die Tragfähigkeit der Zweistaatenlösung und die Perspektiven für einen dauerhaften Frieden.“

Israel hatte das Westjordanland und Ostjerusalem im Sechstagekrieg 1967 erobert. Bis vor Kurzem hatten die USA wie auch die EU eine politische Lösung des Konflikts angestrebt, an deren Ende ein palästinensischer Staat stehen sollte. Während Brüssel weiter an der Zweistaatenlösung festhält, scheint sich die US-Administration unter Trump vollends von ihr verabschiedet zu haben. Nach und nach waren bereits Ausdrücke wie „zwei Staaten“ oder „Besatzung“ aus dem US-Regierungssprech verschwunden.

Die Siedler

Das Westjordanland (oder Westbank) wurde im Juni 1967 im Sechstagekrieg von Israel erobert. Es sollte zunächst als Tauschobjekt dienen, um eine arabische Anerkennung Israels zu erreichen. Der UN-Sicherheitsrat forderte im November 1967 Israels Rückzug. 1970 entstand mit Kirjat Arba bei Hebron die erste Siedlung auf palästinensischem Gebiet. Diese wie alle Siedlungen danach wurden als völkerrechtswidrig beurteilt, ohne dass daraus Konsequenzen gezogen wurden.

Hürde für den Frieden Die UN, die USA und Europa fordern seit Jahrzehnten einen eigenen Staat für die Palästinenser im Westjordanland und in Gaza. Was dabei mit den Siedlungen und ihren Bewohner*innen geschehen soll, blieb eine von vielen ungeklärten Fragen. Heute erscheint eine politische Lösung des Konflikts wieder sehr weit entfernt.

Als eines der Haupthindernisse für einen Palästinenserstaat gilt die israelische Siedlungspolitik. Seit Jahrzehnten siedelt Jerusalem eigene Staatsbürger in dem besetzten Gebiet an. Heute leben mehr als 600.000 Siedler im Westjordanland und in Ostjerusalem. Durch die Landnahme sowie damit einhergehende Infrastrukturprojekte – etwa Straßenbau, um die Siedlungen ans israelische Kernland anzubinden – wird die palästinensische Bevölkerung zunehmend in dicht bevölkerte Enklaven verdrängt.

Dies sehen neben der EU auch die UN als illegal an. Im Jahr 2016, in den letzten Tagen der Ära Obama, hatte der UN-Sicherheitsrat den sofortigen Stopp des Siedlungsbaus gefordert und die Siedlungspolitik als „eklatanten Verstoß“ gegen das Völkerrecht bezeichnet. Die USA enthielten sich damals, legten also kein Veto ein. Trotzdem baut Israel die Siedlungen seither stark aus.

Ermutigt sieht sich Netanjahu durch Trump. Während die USA früher als Vermittler auftraten, hat Trump von Anfang keinen Zweifel gelassen, auf wessen Seite er steht – was sich auch in seinem Personaltableau zeigt: Als Architekten seiner Nahostpolitik gelten drei Hardliner, die den Siedlern alles andere als kritisch gegenüberstehen: Neben Botschafter Friedman sind dies Trumps Berater Jared Kushner sowie der Nahostbeauftragte Jason Greenblatt, der Ende Oktober aus dem Amt schied.

Diplomatische Erfahrung hatte Friedman nicht, als ihn Trump 2017 zum Botschafter machte. Dafür aber war der Anwalt Präsident des Vereins American Friends of Bet El Institutions, einer US-Fundraising-Organisation, die nach Recherchen der israelischen Zeitung Haaretz Millionen US-Dollar für Siedlungsprojekte einwarb. In der Siedlung Bet El nahe Ramallah, für die auch Trump persönlich im Jahr 2003 10.000 US-Dollar gespendet hatte, ist Friedman ein großer Name; auf zahlreichen Plaketten danken ihm die Siedler für seine großzügigen Spenden. Friedman habe „klargemacht, dass er eine kleine Minderheit von israelischen und amerikanischen Extremisten ansprechen und die Mehrheit der Israelis ignorieren wird, die weiter Frieden anstreben“, sagte Daniel C. Kurtzer, ehemals US-Botschafter in Israel, über seinen Nachfolger.

Als weniger radikal, aber nicht minder unterstützend gilt Jason Greenblatt. „Ich habe nichts gefunden, was ich kritisieren könnte“, sagte er in einem CNN-Interview über seine Nähe zur Regierung von Netanjahu, nachdem dieser im September ankündigte, Teile des Westjordanlands zu annektieren.

Jared Kushner wiederum hat enge Verbindungen sowohl zur Siedlerbewegung selbst wie auch zu Netanjahu persönlich. Über die Kushner-Familienstiftung wurden jährlich mehrere Millionen US-Dollar an Projekte in den Siedlungen gespendet. Mit Netanjahu ist die Familie so eng verbunden, dass Kushner den heutigen Ministerpräsidenten seit Kindheitstagen kennt (und einst sogar sein Kinderzimmer räumte, um für den Übernachtungsgast Netanjahu Platz zu machen, wie die New York Times erfuhr).

Vor diesem Hintergrund kommt die jüngste Kehrtwende der Trump-Regierung, die eine Abkehr von mehreren Jahrzehnten US-Nahostpolitik bedeutet, wenig überraschend. Sie folgt auf die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels, die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem sowie die Anerkennung der israelischen Annexion der Golanhöhen.

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