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Abkehr vom Rest der Welt

Angesichts der unsicheren Lage an den Finanzmärkten rückt das Thema Resilienz in den Fokus: Wie unabhängig ist meine Investition vom Wachstum der globalen Wirtschaft?

Von Bernward Janzing

Lassen sich Verlustrisiken von Geldanlagen reduzieren, wenn man sich an Kriterien der Nachhaltigkeit orientiert? Mehr denn je steht diese Frage im Raum angesichts der aktuellen Situation der Finanzmärkte: Die von der Europäischen Zentralbank geschaffenen Negativzinsen sind wirtschaftshistorisch ohne Beispiel, die Konsequenzen dieses geldpolitischen Kurses entsprechend unklar. Während manche laut vor einem „Draghi-Crash“ (so der Titel eines Buches) warnen, flüchten andere still in Sachwerte wie „Betongold“ und treiben so die Immobilienpreise.

In einer solchen Phase stellt sich natürlich auch bei nachhaltig orientierten Investitionen die Frage, welche Geldanlage am wenigsten durch Krisen der Finanzwirtschaft verwundbar ist – man spricht dann von Resilienz.

Speziell unternehmerische Aktivitäten, die Grundbedürfnisse befriedigen, gelten als resilient: „Investitionen in Ernährung und Wasserversorgung zum Beispiel sind weniger anfällig gegenüber Wirtschaftskrisen als Investitionen in Luxusgüter“, sagt Ingo Scheulen vom Ökofinanz-21 e. V., einem Netzwerk für nachhaltige Vermögensberatung. So würde er, sagt Scheulen, zum Beispiel ein Investment in ein Kreuzfahrtschiff nicht empfehlen.

Dass aber selbst solche Branchen inzwischen für sich reklamieren, „nachhaltig“ zu agieren, zeigt, wie sehr das Thema im Trend liegt. Auch gibt es inzwischen praktisch jede Anlageform mit Nachhaltigkeitsversprechen. „Die Grundkonstruktion der nachhaltigen Geldanlagen ist ähnlich wie im konventionellen Bereich“, sagt Claudia Tober, Geschäftsführerin des Forum Nachhaltige Geldanlagen e. V. (FNG), „im Prinzip gibt es auch dort das ganze Spektrum, alle Assetklassen.“

Das geht hin bis zum ETF (exchange-traded fund). Das ist ein Investmentfonds, der an der Börse gehandelt wird – auch der wird in der ethisch-ökologischen Variante angeboten. Aus Sicht des gemeinnützigen Verbraucher-Ratgebers Finanztip gibt es zwei empfehlenswerte nachhaltige ETFs: den der Marke UBS, der den MSCI World SRI Index abbildet, und jenen der Marke iShares, der den Dow Jones Sustainability Index World Enlarged nachzeichnet. Als Aktienfonds sind sie aber natürlich vom Börsengeschehen abhängig – und damit eben auch von der Dynamik der globalen Wirtschaft.

Ihr Vorteil immerhin: Unternehmen, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, gelten oft als diejenigen mit dem besseren Management, da sie etwa Lieferketten genauer prüfen. Das dürfte auch einer der Gründe dafür sein, dass die entsprechenden Kapitalanlagen boomen. Das FNG beziffert für Deutschland die Summe der in diesem Segment angelegten Gelder auf 219 Milliarden Euro, was ein neuer Höchststand ist. Auch die 14 deutschen Spezialbanken, die ihre gesamten Kundeneinlagen nach Nachhaltigkeitskriterien anlegen, erzielten im letzten Jahr ein Plus bei den Einlagen von acht Prozent.

Wer besonders resiliente Anlageformen sucht, findet diese in wirtschaftlich unklaren Zeiten aber oft vor allem vor Ort: Die Rendite einer Photovoltaikanlage auf dem Dach, die Strom für den Eigenverbrauch liefert, ist unabhängig von den Finanzmärkten. Wer noch ein freies, eigenes Dach hat, ist also fein raus. Auch ein Anteil an einer Windkraft- oder Bürgersolaranlage ist als Sachwert kaum von der globalen Ökonomie beeinflusst, ebenso wie etwa ein Bodenfonds, der Flächen langfristig an Biolandwirte verpachtet.

Als relativ sicher gelten – je nach Standort – auch Immobilien. Längst gibt es auch entsprechende Objekte, die nach Kriterien der Nachhaltigkeit gebaut wurden. Doch bei deren Bewertung sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Von einer absehbaren CO2-Bepreisung wird ein energiesparendes Haus zweifellos profitieren. Gegenüber Finanzrisiken ist es jedoch nicht unbedingt besser geschützt, denn eine platzende Immobilienpreisblase verschont auch Ökogebäude nicht.

Der CRIC e. V. und die KlimaGut Immobilien AG haben im vergangenen Jahr einen Leitfaden für ethisch-nachhaltige Immobilieninvestments erstellt. Doch es ist ein schwieriges Thema, wie die Autoren selbst einräumen müssen: Es gebe „eine Reihe von blinden Flecken und Bereichen bei der Bewertung, Entwicklung und Ausrichtung nachhaltiger Immobilien“. Denn das grundsätzliche Problem im gesamten Sektor der Nachhaltigkeit ist der diffuse Begriff: Er ist nicht geschützt, jeder kann ihn nutzen – und jeder kann etwas ganz eigenes darunter verstehen. Daher will nun die EU-Kommission mehr Transparenz schaffen und für 67 Branchen Nachhaltigkeitskriterien definieren.

Und doch könnte für Anleger angesichts der unsicheren Finanzmärkte ein simples Kriterium am Ende das wichtigste sein: Wie unabhängig ist die betreffende Investition vom Wachstum der globalen Wirtschaft?

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