Repression gegen türkische Autorin: Solidarität mit Aslı Erdoğan

Die Schriftstellerin Aslı Erdoğan wird in einem Interview falsch zitiert. Und schon gibt es eine neuerliche Kampagne gegen sie in der Türkei.

Asli Erdogan spricht in ein Mikrofon

Aslı Erdoğan, die türkische Schriftstellerin lebt mittlerweile im Exil Foto: imago images/Pacific Press Agency/Michael Debets

ISTANBUL taz | Wegen eines Interviews in der italienischen Zeitung La Repubblica, das später von der belgischen Zeitung Le Soir verfälscht nachgedruckt wurde, wird die Schriftstellerin Aslı Erdoğan jetzt in türkischen Medien und im Internet massiv beschimpft.

Für zwei Sätze, „die ich so nie gesagt habe“, wie sie in einer Erklärung schreibt. Die in der Türkei verfolgte Schriftstellerin Aslı Erdoğan, die seit Längerem in Europa im Exil lebt und derzeit Gast des „Writers in Exil“-Programms des deutschen PEN ist, hatte in einem Interview mit Repubblica, das vor gut zehn Tagen erschienen war, über die nationalistische und militaristische Indoktrination gesprochen, der türkische Schulkinder bereits in der Grundschule ausgesetzt seien.

Das Interview fand nach dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien statt, der zum Ziel hat, die kurdische Miliz YPG zu vertreiben und eine autonome kurdische Region in einem Nachkriegssyrien zu verhindern. Deshalb brachte der Interviewer die Kurdenfrage immer wieder ins Spiel, weshalb Erdoğan dann zum Schluss noch konstatierte, dass alle Parteien im Parlament mit Ausnahme der kurdisch-linken HDP dazu neigen, kurdische Organisationen per se als terroristisch zu denunzieren.

Mit dem Tode bedroht

Obwohl Aslı Erdoğan das wörtlich so nicht gesagt hat, machte Repubblica daraus die Überschrift: „Wir werden indoktriniert, die Kurden als Feinde zu sehen“. Trotzdem passierte erst einmal gar nichts, das Interview wurde in der Türkei kaum wahrgenommen. Erst als die belgische Le Soir acht Tage später das Interview übersetzte und dabei grob verfälschte, brach der Sturm los.

Bei Le Soir hieß es: „Von der Grundschule an lernen wir die Kurden zu hassen“ und über das türkische Parlament, so Le Soir, habe sie gesagt: „Alle politischen Kräfte im Parlament sind Terroristen, mit Ausnahme der HDP“. Diese Version griff die russische Propagandaplattform Sputnik auf und brachte sie weltweit unter die Leute.

Das Ergebnis: Aslı Erdoğan wird nun in vielen türkischen Medien übel beschimpft, beleidigt und sogar mit dem Tode bedroht. Auch in regierungskritischen Kreisen wurde angemerkt, dass man zwar von nationalistischer Erziehung sprechen könne, doch dass der Kurde an sich „systematisch zum Feind“ gemacht würde, sei Quatsch.

Gesteuerte Kampagne

Tatsächlich kämen die Kurden im normalen türkischen Schulunterricht überhaupt nicht vor. Auch Leute, die nicht als extreme Nationalisten bekannt sind, warfen, wie etwa Ahmet Hakan in der Hürriyet, Aslı Erdoğan vor, sie wolle sich wohl mit solchen Interviews wie vor ihr schon Orhan Pamuk für den Literaturnobelpreis ins Gespräch bringen.

Aslı Erdoğan vermutet nun eine gesteuerte Kampagne gegen sie, der PEN fordert die türkischen Journalisten auf, sie sollten doch besser recherchieren, und überhaupt solle sich nun Bundesaußenminister Heiko Maas, der sich gerade erst in Ankara mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Ç avuşoğlu verbrüdert hat, der Causa annehmen.

Zum Glück ist Aslı Erdoğan, die ja bereits wegen angeblicher Unterstützung der kurdischen „Terrororganisation PKK“ in der Türkei im Gefängnis saß, in relativer Sicherheit in Deutschland.

Anders als viele ihrer KollegInnen braucht sie keine Angst zu haben, wieder verhaftet zu werden. Die türkischen Medien sind durch den Krieg in Nordsyrien gerade besonders nationalistisch eingestimmt. Ein Interview wie in Le Soir dient da als Steilvorlage.

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