Ehrenamtspreis abgelehnt: Verein zeigt Politik ihre Grenzen

Der Berliner Obdachlosenverein will keinen Ehrenamtspreis vom Bezirk Mitte wegen dessen „menschenverachtender“ Politik. Gut so!

Ein Hund steht vor einem Zelt eines Obdachlosen

In Mitte unerwünscht: Obdachlosen-Camp im Tiergarten 2017 Foto: dpa

Das grundsätzliche Dilemma kennen viele Vereine: Man kämpft mit seinem Engagement gegen Probleme, die von der Politik zumindest mitverschuldet sind. Und ausgerechnet die verantwortlichen Politiker überhäufen einen dafür mit Lob – betonen, wie wichtig diese ehrenamtliche Arbeit ist, wie unentbehrlich für die Gesellschaft, blablabla. Bisweilen verleihen sie den rührigen Vereinen sogar Preise.

Gerade kam der Verein Berliner Obdachlosenhilfe in die Verlegenheit, dass ihm der Bezirk Mitte den Ehrenamtspreis 2019 verleihen wolle. Die Erklärung auf Facebook, warum der Verein den Preis ablehne, wurde im Verlauf des Wochenendes viel geteilt und „geliked“. Tatsächlich wird wohl jeder, der sich mit Obdachlosenpolitik in Berlin beschäftigt, den Befund des Vereins teilen, dass der Bezirk bisweilen eine „obdachlosenfeindliche und oft menschenverachtende Politik“ fährt, die Probleme nachgerade verschärft.

Wir erinnern zum Beispiel an die rassistischen Äußerungen des grünen Bezirksbürgermeisters Stephan von Dassel 2017, als er nach einem Mord im Tiergarten „aggressive osteuropäische Obdachlose abschieben“ wollte. Auch sonst fährt man in Mitte gerne harte Kante: Immer wieder räumen Bezirksmitarbeiter die Zelte von Obdachlosen ab; immer wieder berichten Betroffene, dass ihnen das Amt die Unterbringung verweigert – die nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz Pflicht für die Bezirke ist.

Angesichts der bezirklichen Politik ist es daher in der Tat zynisch, wie die Obdachlosenhilfe schreibt, dass der Bezirk nun „mit großer Geste“ einen Preis ausgerechnet an den Verein verleihen möchte, der sich (neben anderen) mit den Konsequenzen dieser Politik herumschlagen muss. Schön, wenn sich Vereine trauen, dies laut zu sagen. Eine so klare Haltung zu zeigen traut sich nicht jedeR – zumal Vereine ja teilweise auch am Tropf staatlicher Zuwendungen hängen. Im vorigen Jahr war „Moabit hilft“ so mutig – der Verein war für den mit 5.000 Euro dotierten Nachbarschaftspreis nominiert und lehnte dies ab wegen Äußerungen des Schirmherrn, Bundesinnenminister Horst Seehofer, zur Asylpolitik.

Solche Statements sind wichtig, zeigen sie doch der Politik, wo die Grenze liegt. Schlimm genug, dass die Zivilgesellschaft immer öfter den Ausputzer machen muss für verfehlte Politik. Aber sich dafür ausgerechnet von jenen loben zu lassen, die es verbocken? Nein, Danke!

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Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.

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