Crowdfinanzierter Journalismus: Ein Meinungsspektrum für alle

Seit Dienstag sammelt das Start-up Buzzard Geld, um eine Debattenplattform zu starten. Diese soll den Diskurs verändern.

Eine Frau hält sich ein Auge zu

Verstehen, wo die Meinung anderer herkommt: Buzzard will helfen Foto: Hannibal Hanschke/reuters

„Es geht nicht darum, seine Meinung zu verändern, sondern zu verstehen, wo die Meinung von anderen herkommen“, sagt Dario irgendwann mitten im Gespräch und bringt es damit auf den Punkt. Dario ist gemeinsam mit Felix Gründer und so was wie der Mastermind hinter Buzzard – eine App, die nichts weniger will, als die Art und Weise zu verändern, wie wir miteinander diskutieren und um Meinungen streiten.

Am 5. November startete die Crowdfunding-­Kampagne, mit der der Meinungs-Bussard abheben soll, um ab Dezember zuzuschlagen. 4.500 Mitglieder, die monatlich 5 Euro in die neue Meinungsvielfalt investieren, sind das Ziel. Mit dem Geld will Buzzard dann die wichtigsten Meinungen zu aktuellen Themen und Ereignissen, aber auch zu langfristigen Debatten bündeln – über das gesamte Meinungsspektrum.

„Wir müssen die Motive und Argumente der anderen kennenlernen“, sagt Dario, wenn beispielsweise US-Wirtschaftsexperten der Meinung seien, dass Trump mit seiner Wirtschaftspolitik einen guten Job macht, dann müsse man das akzeptieren und sagen: „Okay, so sehen die das.“

Ein Diskurswandel

Das Leipziger Team von Buzzard wertet daher in einem ersten Schritt relevante deutsche und englischsprachige Medien und andere Meinungsabsender – insgesamt rund 2.000 Quellen – aus. Dabei geht es ihnen nicht um News, „wir helfen bei der Meinungsbildung, nicht bei der Nachrichtenbeschaffung“.

Der Anspruch der bislang acht Macher*innen ist nichts weniger als ein „Diskurswandel“, was einerseits ein ziemlich anstrengendes Wort ist, aber dann auch wieder passend: Denn wir müssten uns anstrengen, dass der Meinungsstreit hierzulande wieder in konstruktive Bahnen komme und nicht zwischen populistischem Gekreisch und fatalistischem „Alles egal“ weiter aufgerieben werde.

Dass politische Talkshows nicht nur nicht weiterhelfen, sondern nachgerade kontraproduktiv sind, habe ich hier schon oft geschrieben; es lässt sich leider auch weiter mehrmals pro Woche live und in Farbe besichtigen. Auch die Intermediäre und ihre Algorithmen kommen hier nicht weiter – das haben Dario und Felix selbst ausprobiert.

Verlage sollen keine Angst haben

Vor Buzzard arbeiteten sie bei einem der Google-Digital-News-Projekte mit, bei dem Algorithmen die Beiträge zu Themen und Debatten in „pro“ und „contra“ sortieren sollten. Das ernüchternde Ergebnis: Die Genauigkeit lag bei gerade einmal 60 bis 70 Prozent. Durchgefallen.

Deswegen setzen die beiden, die eigentlich im klassischen Journalismus arbeiten wollten, jetzt auf ihr von Menschen gemachtes – und hoffentlich von genügend Menschen finanziertes – Angebot. „Es ist so auch wesentlich demokratischer und transparenter“, sagt Felix. Und nicht mal die Zeitungsverlage müssen Angst haben: Buzzard verlinkt nur – „wer die Süddeutsche liest, soll das auch weiter tun“, meint Dario. Nur einmal am Tag eben auch bei Buzzard mit den Positionen von Andersdenkenden in Berührung kommen.

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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