Eskalierende Proteste im Irak: Gewalt schockiert Demonstranten

Seit Anfang Oktober sind bei den landesweiten Protesten schon 250 Protestierende gestorben, mehr als 6.000 wurden verletzt.

Rauch über einer Barrikade mit Soldaten dahinter

Demonstranten und Sicherheitskräfte am Montag an einer Barrikade in Bagdad Foto: Khalid Mohammed/AP/dpa

BERLIN taz | Die Situation im Irak eskaliert weiter. In der Nacht auf Dienstag sind in Kerbala nahe einer schiitischen Pilgerstätte die Proteste gewaltsam niedergeschlagen worden. Mindestens 14 Menschen starben, über 800 wurden verletzt.

In Bagdad und anderen Städten strömten Zehntausende Menschen auf die Straßen. Seit Anfang Oktober protestieren sie gegen die Korruption der Regierung und fordern die Absetzung des Premierministers Adel Abd al-Mahdi.

Von Anfang an sind die Demonstrationen mit massiver Gewalt bekämpft worden. Neben dem Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern gibt es Berichte über Scharfschützen, die auf Demonstranten geschossen haben sollen.

250 Menschen sind seit Anfang Oktober gestorben, über 6.000 wurden verletzt. Diese Gewalt hatte niemand erwartet, sagt eine Journalistin zur taz. Ihren Namen will sie nicht nennen: Anfang Oktober wurden Fernsehstationen, die über die Demonstrationen berichteten, von Unbekannten gestürmt.

Erinnerung an die Diktatur von Saddam Hussein

Journalisten und Aktivisten erhielten Todesdrohungen. „Dabei sollte diese Regierung doch demokratisch sein“, sagt sie. Was sie sehe, erinnere sie eher an die Diktatur von Saddam Hussein.

Eine Erklärung für die Brutalität ist, dass die irakischen Sicherheitskräfte ausgebildet wurden, um gegen Terroristen Krieg zu führen – nicht, um mehrheitlich friedliche Demonstrationen aufzulösen.

Hinzu kommt, dass neben der Polizei und der Armee zahlreiche mehrheitlich schiitische Milizen existieren. Viele Demonstranten machen vor allem sie für die Gewalt verantwortlich. Offiziell unterstehen die meisten Milizen der Regierung.

Tatsächlich erhalten viele ihre Befehle aus Teheran. Viele Aktivisten vermuten, dass der Iran sich einmischt und versucht, die aktuelle Regierung zu schützen.

Sorge vor Krieg zwischen schiitischen Fraktionen

Einige Aktivisten fürchten sich davor, dass aus den Protesten ein Krieg zwischen verschiedenen schiitischen Fraktionen werden könnte. Dann etwa, wenn sich die Stämme von Todesopfern gegen die Sicherheitskräfte wenden, oder die Miliz des radikalen Predigers Muq­tada as-Sadr, der zwar in der Regierung sitzt, sich aber demonstrativ auf die Seite der Proteste schlug, zu den Waffen greift.

Bisher konnte die Regierung die Demonstrationen nicht eindämmen. „Ich bin bereit, für mein Land zu sterben“, sagte der Aktivist Ali Amer Almikdam Anfang Oktober. Daran hat sich nichts geändert. Er floh für kurze Zeit nach Erbil, nachdem Unbekannte seine Wohnung demolierten. Nun ist er zurück in Bagdad.

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